Was ist das Veto-Prinzip?
Das Veto Prinzip ist ein bewährtes, erfahrungsbasiertes Konzept zur Ausbildung der eigenen Führungsstärke.
Innere Haltung und äußerer Auftritt in der Welt
Bereits in kurzen kleineren Zeit-Einheiten, am wirksamsten aber durch kontinuierliches Training anhand der praxisnahen und transparenten Konzeptkoordinaten wird ein jeweils individueller emanzipatorischer Prozess initiiert, durch den sowohl die innere Haltung als auch der äußere Auftritt in der Welt langfristig gestärkt wird.
Pygmalion-Effekt
Es tritt der sogenannte Pygmalion Effekt ein: Die Beteiligten erkennen ihre internalisierten, autoritär geprägten Muster (Dominanz, Unterwerfung,…), die sie an der vollen Entfaltung ihres persönlichen Potentials blockieren. Dieses ENTlernen autoritärer Prägungen verbunden mit der körpersprachlichen Arbeit, dem konkretem ÜberSPIELEN blockierender Verhaltensmuster, führt zur Entfaltung der authentischen Persönlichkeit und zu einem neuen, veränderten Auftritt in der Welt.
Integrität als Ausgangspunkt
Der bei der Arbeit mit dem Veto Prinzip jeweils stattfindende individuelle Ermächtigungsprozess zur Führungs-Verantwortung orientiert sich nicht an irgendeiner bestehenden Norm, sondern an der Integrität der einzelnen Person – am eigentlichen, bereits bestehenden, authentischen Potential.
Wille zur Kooperation und Gleichwürdigkeit
Auf dieser Basis entsteht der Wunsch und die Bereitschaft nach Kooperation mit anderen auf gemeinsame Ziel hin – weil das Eigene nicht länger verbogen und eingehegt werden muss.
Multi-Perspektivität und Innovation durch Gleichwürdige und wechselnde Führung
Damit schafft die Arbeit mit dem Veto Prinzip die menschlichen und psychosozialen Grundvoraussetzungen für eine funktionierende Vielfaltsgesellschaft, in der normbasierte und patriarchal geprägte Führungsstile durch Gleichwürdigkeit und Verantwortungs-Übernahme der Vielen tatsächlich abgelöst werden können.
Der spielerische Weg zur Gleichwürdigen Führung: Veto-Prinzip und Mischpult
Worum geht es?
Es geht in der Arbeit mit dem Veto-Prinzip und dem Mischpult darum, auf spielerische und handlungsorientierte Art die eigene Führungskompetenz zu entwickeln. Schritt für Schritt wird ein Führungs-Stil transparent und erlebbar, der die jeweils persönlichen Potentiale aller Beteiligten (Mitarbeiter*innen, Lernenden, Kolleg*innen, …) zur Entfaltung bringt und sie auf dieser Basis befähigt und motiviert, Verantwortung zu übernehmen – damit Diversität als wertvolle Ressource in vollem Umfang wirksam werden kann.
„Wir müssen lernen, Regie über unser Leben zu führen, auch wenn sich das Drehbuch unseres Alltags täglich ändert: Beruf. Beziehungen. Partnerschaften. Leben. Das Veto-Führungstraining setzt dort an, wo Veränderung wirklich beginnt: Bei uns selbst.
Mein Konzept, das „Veto-Prinzip“ (vormals Mischpult-Prinzip), ist in der Kurzform die Konkretisierung von Jesper Juul in der Schulpraxis.
Was dieser für die Elternerziehung ausformuliert hat, habe ich für die Schulen konkret anwendbar gemacht.
Das Veto Prinzip ist ein in sich schlüssiges Konzept, das konkrete Schritte hin zu einer veränderten – nämlichen gleichwürdigen – Haltung anbietet und dabei auf gelungene Beziehungsgestaltung setzt (Führungstraining „Matrioschka Prinzip“ und Status-Labore mit den vier Führungs-Typen) und darüber hinaus eine glasklare Didaktik ausformuliert (das Mischpult und die Konzept-Koordinaten), wie auf der Basis dieser Haltung dann eine Unterrichts-Praxis aussehen kann.
Veto-Prinzip – Die Konzeptkoordinaten:
Arbeit mit den sieben demokratischen Führungs-Jokern:
Veto. Tempo. Klarheit. Verantwortung. Störgefühl. Freispiel (Aussteigen und selbst fahren). Blick von außen.
Arbeit nach dem Dreischritt (Ziel, Erfahrungsspielraum, Reflexion)
Werte statt Normen
Orientierung an Skalen statt an vorgegebenen Standards („Skala statt Tabelle“)
Prinzip des Offenen Wissens
Klar geregelte Spielfelder, Koordinaten zur Orientierung und Selbststeuerung nach Skalen-Prinzip
Training Führungskompetenz auf Basis der Statuslehre und den Vier Führungs-Statustypen: Löwe, Kläffer, Erdmännchen, Schildkröte
Arbeit auf den Ebenen: Kognition. Emotion. Körper. Spiel.
Achtung! Kurz-Info zur Umbenennung des Ansatzes in „Veto-Prinzip“
Ursprünglicher Ausgangspunkt für die Entwicklung des Veto-Prinzips ( vormals Mischpult-Prinzip) und die darin zentrale Verankerung des Veto-Rechts war meine Erfahrung von sehr konkretem und konsequenten Widerstand seitens der Kinder und Jugendlichen in meinem Unterricht an einer Hauptschule in Neukölln.
Wie in meinem Buch und Podcast „Türwächter*innen der Freiheit“ beschrieben, erlebte ich quasi in Extremform, dass demokratisches und gleichwürdiges Arbeiten in sehr diversen Gruppen die Lehrpersonen vor große Herausforderungen stellt.
Und ich musste feststellen: Das ging nicht nur mir alleine so. Es gibt nach wie vor eine weit verbreitete Tendenz, bei (Disziplin-) Problemen autoritär zu reagieren statt Autorität zu sein – auf der Basis von Integrität und Gleichwürdigkeit. In überfordernden Situationen wird aus der Not heraus vielfach autoritär “gegenan regiert” – das heißt, es wird auf Belohnung, Bestrafung und/oder Manipulation zurück gegriffen – all das verdeckt oder offen autoritäre Verhaltensweisen, die die Konflikte – und die empfundenen Demütigungen aller Beteiligten – nur immer weiter verschärfen. Und selbständiges Denken und Handeln unmöglich machen.
Die Jugendlichen schleuderten mir damals ein VETO entgegen – ohne diesen Begriff zu kennen. Sie verweigerten schlicht und ergreifend die Kooperation.
Ein Glück im Unglück war für mich damals, dass diese Kinder von der normierten Erwartungshaltung, wie sie noch immer an Schulen herrscht, so weit abwichen, dass sie auch über Belohnung, Strafe oder Manipulation – also jegliche extrinsischen Impulse wie auch Notendruck – nicht mehr „zu gewinnen waren“.
In dieser für mich extrem unangenehmen „Not-Situation“ entschied ich mich dann für das komplette Gegenteil: Ich ging ihnen in ihrem Widerstand entgegen – und verankerte das Veto-Recht als festen konzeptionellen Teil der Zusammenarbeit. Damit war ein neuer Führungs-Stil etabliert und gleichzeitig ein Prozess auf den Weg gebracht, der auch bei mir selbst zu sehr schmerzhaften, aber gleichzeitig sehr erhellenden Erkenntnissen über meine eigenen (unbewusst autoritären) Prägungen führte.
Phasen bei der Einführung des Veto-Rechts
In der Kurzform machte ich folgende Phasen durch:
Die Kinder gingen nach Einführung des Veto-Rechts zunächst einmal „über Tisch und Bänke“. Ich geriet in Panik über den vollständigen Kontrollverlust und erlebte Gefühle von Scham (über mein Scheitern und das Erleben von Hilflosigkeit).
Darauf folgten Wut und Selbstmitleid, dass meine Bemühungen so „mit Füßen getreten wurden“.
Gleichzeitig aber fing ich an – in der einsetzenden Schlaufe aus Selbstzweifeln – mir die richtigen Fragen zu stellen. Nämlich:
Wie erschaffe ich einen Raum, in dem jede*r Lust bekommt, das jeweils Eigene, Individuelle einzubringen, und in dem sich alle so sicher fühlen, dass Scheitern und Ausprobieren anfangen kann, Spaß zu machen? Einen Raum, in dem alle üben können, für sich und andere Verantwortung zu übernehmen, und in dem Vielfalt als persönlicher Gewinn erlebt wird?
Das Veto-Recht erwies sich als Schlüssel und zog alle weiteren konzeptionellen Instrumente des Ansatzes nach sich. Denn zu meiner Überraschung folgten auf den ersten chaotischen Sturm dann Schritt für Schritt erste Anzeichen von echter Kooperation.
Ich erkannte, dass das Veto-Recht in dem Maße die Kultur in der gesamten Gruppe in Richtung Kooperation und Motivation hin verändert, wie konsequent ich das Veto-Recht – trotz anfänglich anarchisch wirkender Phasen – durchhalte und mit aller Überzeugung darauf bestehe.
Veto-Prinzip: Bildhafte Beschreibung
Dies möchte ich an folgendem bildlichen Beispiel erläutern:
Wenn ich auf dem 10-Meter-Turm im Schwimmbad stehend weiß, dass die Erwartung da ist, dass ich springen soll und alles andere einem Misserfolg gleichkommt, dann bin ich im Kopf mit der Belohnung (Lob und gute Note) bzw. mit der Bestrafung (Ansehensverlust, schlechte Note) beschäftigt, nicht aber mit der Situation und mit mir selbst an sich. Wenn ich zusätzlich noch fürchten muss, geschubst zu werden, verschärft sich dieses Gefühl des „Außer-Sich-Seins“.
Wenn ich aber verinnerlicht habe, dass ich ein Veto-Recht habe – egal in welcher Situation auch immer – und dass mein Veto in JEDEM Falle respektiert wird und daraus keine wertenden Schlüsse gezogen werden, erst DANN kann ich mich selbst auf dem Sprungturm wahrnehmen, wie es mir dort geht, was mein eigenes Bedürfnis ist, auf welche Art und wann ich springen will – oder ob überhaupt. Erst mit einem selbstverständlich gewährleisteten Veto-Recht kann ich bei mir selbst ankommen und raus finden, was ich in dieser Situation will und brauche. Statt im Außen zu sein, kann ich bei mir selber ankommen. Dieser Moment ist zentral. Oft merken wir dann: Ups. Ich WEISS gar nicht, was ich will bzw. was mein Bedürfnis überhaupt ist, weil ich mich schon so lange an den äußeren Erwartungen ausrichte, dass ich mich selbst gar nicht mehr spüre.
Je länger ich aber mit einem fest installierten Veto-Recht trainieren kann, meine eigenen Bedürfnisse und mein eigenes Tempo zu spüren, desto größer wird plötzlich auch mein Interesse an den Erfahrungen der anderen und an dadurch gesammeltem Wissen: Ich stelle fest, den anderen geht es auch so und sie haben folgende Strategien entwickelt, um damit umzugehen. Es gibt Wissen darüber, wie ich mich selbst steuern, auf welche Art ich abspringen kann, usw. und im gedanklichen Durchspielen all dieser Möglichkeiten wähle ich für mich den ersten Schritt und anschließend den zweiten, usw. Weil ich bei mir selbst sein kann, werden für mich die Informationen zu dieser Situation plötzlich interessant. Ich erlebe, dass ich in meinen Entscheidungen frei bin und nichts passiert, was ich nicht selbst will. Und dann wird klar: Gar nichts zu machen, bzw. „für immer und ewig“ im Veto-Modus zu bleiben entspricht gar nicht meinem inneren Lustbedürfnis. Wenn ich IMMER Veto machen kann und es IMMER akzeptiert wird, dann merke ich: Ich WILL ja was machen! Das ist der Beginn der intrinsischen Motivation und die Basis für alle produktiven Lern- Gestaltung – und Wachstumsprozesse. Wenn die Führung das Veto konsequent zum Bestandteil der Arbeits-Kultur macht, können alle ihren eigenen Start-Punkt – ihren individuellen Kooperationsimpuls – finden und von dort aus Schritt für Schritt in ihre Produktivität kommen.
Was es nach der Einführung des Vetos braucht
Nach Einführung und konsequenter Beibehaltung des Veto-Rechts braucht ein solcher Raum fortwährend Koordinaten, an denen sich alle orientieren können. Koordinaten, die so klar sind, dass alle sie verstehen können, und so grundlegend, dass sie sich auf alle Situationen übertragen lassen. Das Veto-Prinzip bietet solche Koordinaten an. Eines davon ist der im folgenden – unten – genau beschriebene Erfahrung-Spielraum: Mischpult- Führen und Folgen. Es gibt zahlreiche weitere solcher Erfahrung-Spielräume auf der Basis dieses Mischpult-Ansatzes. Erfahrungsspielräume sind Spielanordnungen mit klaren Regeln, die bei allen Beteiligten individuelle Lernprozesse initiieren, welche sie jeweils selbst auf thematischen Skalen auf der Basis ihrer eigenen Bedürfnisse und Fähigkeiten steuern können.
Der Fluss, der das „Land des inneren Gehorsams“ vom „Land der inneren Freiheit trennt“: Das Veto-Recht
Die zentrale Schlüssel-Stelle aber ist und bleibt das Veto-Recht. Lehr- und Führungspersonen erleben einen „Vorher-Nachher“-Effekt: Diejenigen, die noch zögern und vor der Erfahrung des Vetos in ihren Gruppen zurück schrecken bzw. Ausreden finden, warum es in ihrer speziellen Situation leider leider eben nicht geht – bleiben im Land ihres inneren Gehorsams – also ihrer unbewussten, autoritären Prägungen und Glaubenssätze. Sie bleiben auf der einen Seite des Rubikons stehen und stellen ihre Fragen aus der Perspektive des „Zauderns“ und „Nicht-Zulassens“. Erst, wenn sie sich trauen, die Erfahrung des konsequenten Veto-Rechts bei sich zuzulassen – mit allem, was es bei ihnen auslöst – beginnt der innere Wachstumsprozess hin zur inneren Freiheit und zur natürlichen Autorität. Erst, wenn der Rubikon überschritten ist, stellen sich die „richtigen“ Fragen. Zum Beispiel:
Fragen auf dem Weg zur inneren Freiheit und zur natürlichen Autorität
Wovor habe ich eigentlich Angst, wenn ich anderen ein „Nein“ erlaube?
Warum löst der Widerstand von anderen ein so unangenehmes Gefühl in mir aus?
Was versuche ich bei mir selber zu verdrängen, bzw. NICHT anzuschauen?
Woher kommt mein Unbehagen beim Veto? Sowohl, wenn ich es von anderen erfahre, als auch, wenn ich es selbst anwende?
Wem will ich gefallen?
Was denke ich verteidigen zu müssen?
Wie will ich als Lehr- und Führungsperson eigentlich sein und was will ich langfristig erreichen?
Wo handle ich auf der Basis meiner eigenen Werte (welches SIND meine eigenen Werte?) und wo handle ich fremdbestimmt?
Wo in meinem persönlichen Alltag bin ich ebenfalls fremdbestimmt – und warum eigentlich?
Wo – in welchen Situationen – bin ich Erdmännchen oder Kläffer oder Löwe – und wie wäre meine Version des Führungstyps Schildkröte? Sowohl im beruflichen wie auch im privaten Leben?
Was fehlt mir, um klar und deutlich zu sagen „Ich will“ und entsprechend zu handeln?
Was muss ich tun, um ein authentischer und freier Mensch zu sein – eine natürliche Autorität?
Was muss ich tun, um Regie über mein eigenes Leben zu führen und wie kann ich dabei ein „Role Model“ für andere sein?
Wie kann ich Führung übernehmen, ohne mich fremden Erwartungen zu unterwerfen bzw. selbst autoritär zu handeln, sondern stattdessen natürliche Autorität zu SEIN – in allen Lebenskontexten – als der Mensch, der ich bin?
Da das Veto Recht quasi der Rubikon ist, den es zu überschreiten gilt, bevor der Prozess hin zu einer starken authentischen Führungskraft beginnen kann, habe ich mich – nach allen Erfahrungen der vergangenen Jahre – nun entschieden, mein Konzept umzubenennen und damit den Kern dieses Ansatzes klarer herauszustellen:
Mein Gesamt-Konzept heißt ab heute: Das Veto-Prinzip
Gearbeitet wird dabei mit dem Instrument des Mischpults. Die oben genannten Konzept-Koordinaten bilden die Basis für das Veto-Prinzip.
Zum Begriff „Rubikon überschreiten“ siehe auch:
Wegbegleiter*innen und Bergführer*innen im herausfordernden Gelände des „Landes der inneren Freiheit“
Beispiel für einen Erfahrungsspielraum nach Veto-Prinzip: „Mischpult: Führen und Folgen. Ein Achtsamkeitstraining für die innere Haltung und Integrität“.
Der im Folgenden beschriebene Erfahrungsspielraum „Mischpult: Führen und (selbstbestimmt) Folgen“ ist ein zentrales Arbeitsinstrument des „Veto-Prinzips“ und initiiert ein Achtsamkeitstraining zum Thema Integrität – die eigenen Grenzen und Bedürfnisse spüren und ihnen entsprechend selbstbestimmt agieren.
Detaillierte Ablaufbeschreibung „Mischpult – Führen & Folgen“:
Die eine Hälfte der Gruppe steht auf der einen Seite des „Mischpults“ und übernimmt die Führung/Regie. Der andere Teil der Gruppe steht auf der anderen Seite des Mischpults – im leeren Raum – und führt die Ansagen der Führenden aus („folgt“ – selbstbestimmt, siehe unten).
Info: Das „Mischpult“ sind hier die Karten – die jeweils in unterschiedlichen Anordnungen – zu gebrauchen wie ein Mischpult ! – am Boden ausgebreitet liegen, je nachdem, welcher thematische Schwerpunkt gerade in den Fokus genommen wird. In diesem Beispiel wird das Grund-Mischpult bestehend aus den 9 Karten zum Raumlauf (Fokus, Blick ins Publikum, Rücken zum Publikum, Gehen im Tempo 1-10, Zeitlupe, Zeitraffer, Freeze, Pose, Posenwechsel auf Zuruf), die rosa Karten zur Statuslehre, einige (hellrote) Tätigkeit-Karten, die (lila) Karten zur Fortbewegung, die (hellgrauen) Karten zu Bewegungsqualitäten, einige (blaue) Karten zu Formationen und einige (schwarze) Karten, die klassischen Kanäle / (später auch Skalen) hier: Größe der Bewegung, Tempo, Körperspannung, Rolle (Tierqualität), Lautstärke, Status), ausgewählt. Der thematische Schwerpunkt in diesem Beispiel ist die Statuslehre, das Ziel sind Erkenntnisse und eine feinere Wahrnehmung zur eigenen „Inneren Haltung und zum äußeren Status“. Erfahrungsspielraum ist das Mischpult/Führen & Folgen, Reflexionsformat ist Gespräch unter Freunden in der Gruppe.
Diejenigen die führen, haben die Aufgabe, Ansagen zu machen, die die Gruppe vor ihnen auf der Spielfläche ausführen soll. Dafür haben sie die Karten vor sich auf dem Boden liegen – als vielfältiges Angebot für Regie-Impulse. Sie dürfen darüber hinaus aber auch intuitiv, selbst erdachte Ansagen machen. Grundsätzlich ist es so, dass sich die einen bereit erklären zu führen und die anderen erklären sich bereit, selbstbestimmt zu folgen. Selbstbestimmt folgen insofern, dass den Spieler*innen auf der Bühne die sieben demokratischen Führungs-Joker zur Verfügung stehen, mit denen sie selbstbestimmt auf die Regie-Impulse reagieren können.
Tempo: Tempo bedeutet, dass mir das Spiel gerade zu schnell oder zu langsam geht, beziehungsweise dass ich mich langweile, weil zu wenige Ansagen kommen. Ich kann deswegen an die Führung zurückmelden „Tempo!“. Dies kommt zum Beispiel vor, wenn es ein so genanntes Führungsvakuum gibt. Ein Führungsvakuum entsteht immer dann, wenn sich niemand traut die Führung zu übernehmen und der Platz der Führung leer bleibt. Aber auch ein Führungsvakuum ist eine interessante Erfahrung für alle, weil sich die Frage stellt: Wie halte ich das aus? Und was sind meine Widerstände beziehungsweise Gefühle, wenn es keine Führung gibt?
Klarheit: Klarheit ist quasi die Karte zur Barrierefreiheit. Ich kann Klarheit an die Führung zurückmelden, wenn ich etwas nicht verstanden habe, und dabei ist es egal, aus welchen Gründen ich etwas nicht verstanden habe. Es kann sein, dass die Führung zu leise gesprochen hat, oder sich zu umständlich beziehungsweise zu elaboriert ausgedrückt hat. Oder, dass die Führung eine Sprache verwendet hat, die ich nicht verstehe. Unabhängig davon, aus welchen Gründen ich die Ansage nicht verstanden habe, darf ich zurückmelden „Klarheit“, und signalisiere damit an die Führung, dass diese sich irgendwie anders ausdrücken muss, damit ihre Botschaft ankommt. Die Karte Klarheit kehrt das Verhältnis, das normalerweise herrscht, um. Denn normalerweise fühlt sich die Person, die etwas nicht verstanden hat, unterlegen, bzw “dumm”. Dies ist aber ganz falsch, weil es in der Verantwortung der Führung liegt, so kommunizieren, dass die Aufträge bei den anderen ankommen.
Verantwortung: Verantwortung kann ich als Spieler*in an die Führung zurückmelden, wenn ich merke, dass ein Auftrag über die Grenzen anderer Spieler*innen im Raum gehen könnte. Ein Beispiel wäre: Von der Führung kommt der Auftrag: Alle geben sich die Hand. Eventuell weiß ich aber, dass es Spieler*innen in der Gruppe gibt, die beispielsweise aufgrund ihrer kulturellen Prägung anderen Menschen nicht die Hand geben wollen, beziehungsweise aus anderen Gründen keinen Körper-Kontakt wollen. Eventuell weiß die Führung dies nicht. Ich kann in dem Fall also als Spielerin auf der Bühne Verantwortung für andere übernehmen, indem ich als Korrektiv der Führung agiere. Wenn ich Verantwortung rufe, dann heißt das, dass der Auftrag komplett storniert wird. Verantwortung heißt also quasi „Reset“. Der Auftrag wird gestrichen.
Veto: Veto ist der wichtigste der fünf demokratischen Führungsjoker. Veto bedeutet: ich will nicht. Ich verweigere den Auftrag. Den Auftrag verweigern kann ich auf verschiedene Weisen. Ich kann entweder Veto rufen und stehen bleiben. Ich kann aber auch nonverbal Veto einlegen. Zum Beispiel kann ich einfach im Raum stehen bleiben und abwarten, bis ein anderer Auftrag kommt, oder ich kann mich auf den Boden legen, setzen, o.ä. Ich kann auch etwas ganz anderes tun, zum Beispiel auf einen Würfel oder eine Leiter klettern oder in die andere Richtung laufen oder irgendeine andere Aktion starten. Die letzte Möglichkeit des Vetos ist es, die Seite zu wechseln und aus der Spieler-Position in die Regie-Position zu wechseln. Das Einzige, was verboten ist, ist den Raum zu verlassen. Es ist wichtig, dass alle Spieler*innen grundsätzlich im gemeinsamen Erfahrungsraum bleiben und sich innerhalb dieses Raumes frei für die – für sie gerade stimmige – Rolle entscheiden können.
Störgefühl: Der fünfte demokratische Führungsjoker kommt erst bei der anschließenden Reflexion, dem “Gespräch unter Freunden” zum Einsatz. “Störgefühl” kann ich immer dann melden, wenn mich irgendetwas im Prozess blockiert, bzw. ich ein Gefühl, eine Irritation empfinde, die mich im Prozess ablenkt oder behindert. Ich muss noch gar nicht genau wissen, was meinem Störgefühl zugrunde liegt, ich zeige mit diesem Führungsjoker nur an, dass irgendetwas mich gerade daran hindert, wirklich „da zu sein“. Wenn ich Störgefühl sage, gilt das Gesetz “Konflikte haben Vorrang”. In diesem Fall moderiert die Leitung (oder in der Kleingruppe eine andere Person) und behebt durch ein klärendes Gespräch mit den Beteiligten das “Störgefühl”.
Freispiel (Aussteigen und selbst fahren): Ich steige temporär aus dem gemeinsamen Gruppenprozess aus und beschäftige mich alleine mit dem jeweiligen Gegenstand weiter.
Blick von außen: Ich nehme eine Helikopter-Perspektive ein und betrachte (und reflektiere) den Prozess von außen. (Entweder alleine oder im Gespräch und Spiel mit anderen).
Die demokratischen Führung-Joker befinden sich im „Methoden-Repertoire für Tanz und Bewegung“ und im „Methodenrepertoire für Bildende Kunst“, Beltz. Über ACT e.V. könnt ihr sie auch in den Workshops bekommen oder sie euch zu Hause selbst auf Din A 5 Karten erstellen.
Es geht beim Einsatz der Führungsjoker auch darum, sich für folgende Fragen zu sensibilisieren:
Wann übernehme ich für mich selbst die Verantwortung und wann gebe ich unbewusst die Verantwortung an andere ab und kippe möglicherweise in eine Opferhaltung?
Beispiel: Wenn ich auf der Spielfläche einen Auftrag nicht ausführen möchte, oder Widerstände empfinde, muss ich ja eigentlich nicht verstimmt darüber sein, weil ich ja jederzeit Veto einlegen und somit für mich selbst sorgen kann.
Es geht bei dem Spiel auch darum, sich dafür zu sensibilisieren, welche Gefühle während des Spiels auftauchen, diese Gefühle dann aber nicht zu bewerten, sondern sie stattdessen wertfrei wahrzunehmen und sich selbstbestimmt dazu zu verhalten.
Beispiel: Wenn ich einen Widerstand empfinde, KANN ich auf verschiedene Weisen Veto einlegen, es ist aber auch möglich, bewusst auf Veto zu verzichten oder das Veto selbstbestimmt hinaus zu zögern, sich also quasi eine kleine “Challenge” zu setzen, eine Herausforderung, die darin besteht, etwas ein wenig länger auszuhalten und dem ganz bewusst nachzuspüren, quasi bewusst in einem unsicheren Zustand zu BLEIBEN, obwohl ich einen Widerstand dagegen empfinde.
Sowohl diejenigen, die selbstbestimmt folgen, als auch diejenigen, die führen, haben die Möglichkeit, zahlreiche – für sie selbst erkenntnisreiche – konkrete Erfahrungen mit Führen und Folgen zu machen und diese nach dem Spiel, im sogenannten “Gespräch unter Freunden” zu reflektieren.
Diejenigen, die Führung übernehmen, richten ihre Selbstwahrnehmung während des Spiels auf folgende Fragen:
Wie spreche ich, wenn ich Führung übernehme? Wie leite ich an? Welche Ansagen wähle ich und wie fühle ich mich dabei? Was empfinde ich, wenn Spieler*innen Veto einlegen? Wie muss ich mich ausdrücken, damit die Spieler*innen auf der Spielfläche wissen, was sie tun sollen und sich sicher fühlen? Wie muss ich sprechen, damit die Spieler*innen motiviert sind und sich wohl fühlen?
Dafür werden bewusst KEINE Regeln vorgeben, weil die unendlichen Möglichkeiten einer Führung in diesem Sinne im Spiel selbst individuell heraus gefunden werden sollen.
Wer eine eigene Führungs-Erfahrung machen möchte, tritt einen Schritt nach vorne und signalisiert dadurch: Ich möchte führen. Dann darf ich von dieser Position aus eine oder mehrere Ansagen hintereinander machen. Nach dem Skalenprinzip ist es immer möglich, entweder etwas sehr Niedrigschwelliges zu versuchen oder aber auch schrittweise komplexere, kombinierte und aufeinander aufbauende Ansagen zu machen. D.h. es ist möglich, einen Schritt nach vorne zu treten und einfach nur „Freeze“ zu rufen und dann gleich wieder in die Gruppe zurück zu treten. (Skala: Einfach bis komplex)
Es ist aber auch möglich, einen Schritt nach vorne zu treten und komplexere und längere, aufeinander aufbauende Ansagen zu machen. Wenn jemand sehr lange vorne stehen bleibt und Ansagen macht, darf eine andere Spielerin aus der Gruppe neben die Person treten, die gerade führt, und dadurch signalisieren: Ich möchte jetzt auch Führung übernehmen. Wenn die Person, die gerade führt, die Anwesenheit dieser Spielerin gar nicht bemerkt und einfach weiter führt, darf diese Spielerin sich bemerkbar machen. Auch dieses “sich -bemerkbar-machen” kann auf einer Skala von sehr kleinem Impuls (Zum Beispiel auf die Schulter tippen) bis hin zu Statusspielen (humorvolles „Weg-Drängeln“ oder „Beiseite-Schieben“, usw) variiert werden.
Für die Person, die gerade führt, ist auch dies eine sehr aufschlussreiche Erfahrung, weil ich in diesem Moment erkenne, ob ich innerlich im Tief-Status bin, also beispielsweise gleich in die Gruppe zurücktrete, sobald ich die andere Spielerin bemerke, oder ob ich im Inneren Hoch-Status bin und meine Position trotz der Anwesenheit der anderen Spielerin länger behaupte. Diese kleine Situation zeigt bereits bildhaft, worum es im Ganzen geht. Wenn ich mit den Interessen einer anderen Person konfrontiert bin, wie reagiere ich dann auf dieses andere Interesse, beziehungsweise das andere Bedürfnis? Trete ich beispielsweise sofort zurück und ordne mein Bedürfnis dem Bedürfnis der anderen Person vorschnell unter? Oder kann ich mein eigenes Interesse in Kooperation und im Respekt mit der anderen Person selbstbewusst behaupten und eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung finden? Die “Führung-Ablösen-Situation” ist spielerisch natürlich frei von „persönlichem Subtext“ zu gestalten. So, wie ein Schiedsrichter beim Fußball keine persönliche Botschaft sendet, wenn er eine Rote Karte vergibt, sondern nur entlang der Spielregeln handelt.
Ich darf im Spiel auch ganz bewusst (und selbstbestimmt) meine normalen Grenzen überschreiten. Beispiel: Natürlich kann ich mein Bedürfnis, Führung zu übernehmen auch spielerisch übertreiben und eine andere Spielerin humorvoll “in die Flucht schlagen”.
Insgesamt wichtig ist an dieser Stelle das Selbstregulierungsprinzip. Dieses besagt, dass wenn Irritationen oder ungeklärte Situationen im Spiel auftauchen, die gesamte Gruppe gemeinsam nach Lösungen sucht. Es geht immer darum sich nach dem übergeordneten Ziel auszurichten. Das übergeordnete Ziel in diesem Spiel heißt: Möglichst viele Erfahrungen – auf möglichst viele Weisen – mit Führen und Folgen – zu ermöglichen. Das Selbstregulierungsprinzip kann am deutlichsten anhand der Karte Veto erläutert werden. Wenn eine Spielerin auf der Bühne Veto einlegt, indem sie das Spiel verlassen möchte, darf sie die Seiten wechseln. D.h. diese Spielerin wechselt von der Spielfläche auf die andere Seite des Mischpults in die Führungsposition. Wenn aber eine Spielerin die Seiten wechselt, ist das Verhältnis zwischen den beiden Gruppenzahlen zahlenmäßig nicht mehr gleich. Deswegen muss nach dem Selbstregulierungsprinzip eine Person auf der Führungs-Seite freiwillig in diesem Fall auf die Spielfläche wechseln, damit auf jeder Seite wieder gleich viele Spieler*innen sind.
Nach circa 10 Minuten wechseln die Gruppen die Seiten und damit auch die Perspektive von Führen zu Folgen oder umgekehrt.
Anschließend findet die Reflexion statt. Das Gespräch unter Freunden:
Reflexion: Gespräch unter Freunden
Beim “Gespräch unter Freunden” kommt dann auch der fünfte demokratische Führungsjoker zum Einsatz. Der fünfte demokratische Führungsjoker heißt Störgefühl. Störgefühl kann ich jederzeit melden, wenn bei mir ein unangenehmes oder irritierendes Gefühl im Gespräch entsteht, und ich aber noch nicht genau weiß, warum ich dieses Gefühl habe. Ich melde dann einfach Störgefühl, beschreibe, an welcher Stelle ich ein seltsames oder merkwürdiges Gefühl habe, und dann ist es der Auftrag der Schildkröte und der anderen, mit mir im Gespräch herauszufinden, wie dieses Störgefühl entstanden sein könnte – und es aufzulösen. Der Führungsjoker Störgefühl steht für das Prinzip “Konflikte haben Vorrang”.
Das reflektierende “Gespräch unter Freunden” findet nach jeder Spielrunde statt, in dem beide Seiten ihre Erfahrungen austauschen. Dieses Feedback Verfahren heißt deshalb “Gespräch unter Freunden”, weil hier nun das ungleiche Machtverhältnis “Führen und Folgen” aufgehoben und eine Gleichwürdige Kommunikation unter allen Beteiligten angestrebt wird. Die Leitung sorgt anfangs durch ihre Moderation für diese Gleichwürdigkeit, fungiert dabei als “role model” für alle Beteiligten, die dann im Prozess zunehmend selbst lernen, Führung zu übernehmen und dabei den Führungs- und Kommunikations-Stil der Schildkröte übernehmen.
Die Leitung (Führungstyp „Schildkröte“) moderiert das Gespräch unter Freunden vom Rand aus: Sie steht (oder sitzt) zwischen denen, die Führung übernommen haben und denen, die gefolgt sind. Aufgabe der Schildkröte am Rand ist es, im “Gespräch unter Freunden” ein Statusplateau (Gleichwürdigkeit) zwischen den Spieler*innen zu gewährleisten. Im Gespräch unter Freunden werden in der ersten Runde die Lieblingsmomente von den Zuschauenden zurückgemeldet. (Die Zuschauenden sind die, die Führung übernommen hatten). In der zweiten Runde melden die Spieler*innen auf der Spielfläche ihre subjektiven Erfahrungen, Gedanken und Gefühle zurück, die sie während des Spiels hatten. Die Schildkröte fordert die Spieler*innen mit folgenden (beispielhaften) Sätzen auf, diese subjektiven Erfahrungen zu teilen:
Ich möchte euch bitten, eure Erfahrungen mitzuteilen und dies möglichst subjektiv zu tun, und dabei ehrlich und offen zu sein. Denn je offener und ehrlicher ihr zurüc meldet, desto wertvoller wird das Geheimwissen für die Führung. Denn das, was ihr wahrgenommen habt, ist Realität, und hat in diesem Raum stattgefunden und je mehr davon die Führung erfährt und auch verarbeiten kann, desto schneller kann sie zu einer souveränen, guten Führung werden.
In der dritten Phase des “Gesprächs unter Freunden” melden dann diejenigen, die Führung übernommen hatten, wiederum ihre eigenen subjektiven Erfahrungen beim Führen zurück. Nach diesem ausführlichen Austausch werden die Seiten gewechselt und diejenigen, die zuvor geführt haben, erklären sich jetzt bereit, selbstbestimmt zu folgen und die anderen umgekehrt zu führen. Auch nach der nächsten Runde findet dann wieder ein Gespräch unter Freunden im beschriebenen Format statt.
Grundsätzlich liegt der Fokus beim Mischpult auf der jeweils persönlichen Erfahrung mit Führen und Folgen. Aber darüber hinaus gibt es beim Mischpult drei Phasen, in der ersten liegt der Fokus auf dem Spiel mit dem jeweiligen Thema (zum Beispiel Statuslehre), der Wirkung von Körpersprache und einer Sensibilisierung von körpersprachlicher Wirkung von Hoch- und Tiefstatus (äußere Haltung). Das heißt für die erste Phase: Die Aufgabe des Spiels ist es dann, beim Führen die Wirkung von Körper-Sprache in Bezug auf Status zu untersuchen. Wenn ich also Führung beziehungsweise Regie übernehme, versuche ich möglichst Bilder und Aktionen zu erschaffen, die verschiedene Statuswirkungen erzielen. Dabei lasse ich mich intrinsisch motiviert leiten, also handle nach dem “Lustprinzip”, und versuche Bilder zu erschaffen, die mir selbst Freude machen oder für mich überraschende Statuswirkungen erzielen.
In der ersten Spielrunde liegt der Fokus also auf dem jeweiligen Thema – in diesem Beispiel auf der Körpersprache und der Wirkung von Status. (Äußere Haltung)
In der zweiten Spiel Runde liegt der Fokus auf dem Achtsamkeitstraining ”Führen und Folgen” und dabei insbesondere auf der inneren Haltung: Wann bin ich Ihnen hoch und wann bin ich innen tief? (Innere Haltung)
Nach der zweiten Spielrunde präsentiert die Leitung Beispiele für typische Gedanken, die eine innere Tief-Statushaltung repräsentieren, beziehungsweise eine innere Hoch-Statushaltung und leitet damit die dritte vertiefende Spielrunde ein.
Dafür können folgende Beispiele für innere Haltungen hilfreich sein und Orientierung geben:
Beim Führen:
Innen tief: Ich bin mit mir selbst beschäftigt, ich will alles richtig und perfekt machen und dafür Lob und Anerkennung erhalten.
Innen hoch: Ich finde es interessant, was mit mir und den anderen und während des Spiels insgesamt passiert. Ich will soviel mitnehmen wie möglich. Ich bin bei mir selbst und lasse mich auf den Moment ein.
Innen tief: Ich bin gestresst, weil da so viele Karten sind und ich mich überfordert fühle. Ich will was ganz Kluges, Witziges sagen, aber es ist mir alles zu viel.
Innen hoch: ich bin neugierig auf die vielen Möglichkeiten. Ich weiß, dass ich nicht alles verstehen und wissen muss. Ich nehme mir Zeit, genau die Ansage in Ruhe zu machen, die ich machen möchte.
Innen tief: Ich überlege ganz lange, was ich sagen werde, damit es perfekt rüber kommt. Erst dann trete ich nach vorn. Ich sichere mich ab.
Innen hoch: Ich trete nach vorne, ohne genau zu wissen, was mich erwartet und wie ich es machen werde. Ich erlaube mir, offen zu sein und abzuwarten, was mit mir passiert und erst dann zu agieren.
Innen tief: Ich mache mir Sorgen, dass ich unsicher und/oder schwach rüber komme, dass die anderen meine Ansagen ungeschickt/unkreativ/usw. finden.
Innen hoch: Ich vertraue darauf, dass ich auch nicht blöder bin, als die anderen und bin eher gespannt auf die Erfahrung, die ich machen werde, wenn ich Führung übernehmen.
Beim Folgen:
Innen tief: Ich habe Sorge, dass irgendein Auftrag kommt, bei dem ich Veto einlegen muss, denn ich möchte auf keinen Fall die Aufmerksamkeit auf mich ziehen.
Innen hoch: Ich konzentriere mich darauf, wie es mir beim Folgen geht, ich lasse meine Widerstände zu und versuche herauszufinden, warum ich diese Widerstände habe und wie lange ich sie aushalten kann.
Innen tief: Ich ärgere mich, dass die Ansagen zu schnell, zu beliebig, zu schwer, zu unverständlich,… sind, traue mich aber auch nicht Veto zu sagen.
Innen hoch: ich bin neugierig, was passieren wird und wann ich Veto einlegen möchte und aus welchen Gründen – oder ob es überhaupt sein muss.
Weitere Beispiele für Gedanken und entsprechende Gefühle können jederzeit hinzugefügt werden, wenn das innere Verständnis für die Haltungen „innen hoch“ und „innen tief“ etabliert ist. (Das jeweils neu entstehende Wissen wird immer sofort wieder für alle transparent zur Verfügung gestellt – Prinzip Offenes Wissen).
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Veto-Führungstraining
Das Veto-Prinzip ist ein Konzept zur Gleichwürdigen Führung und Selbstführung. Die Arbeit gemäß der Mischpult-Konzeptkoordinaten initiiert innere und äußere Prozesse, die bei den Beteiligten zur Ausbildung von echtem Selbstwert führen und auf dieser Basis zur intrinsischen Motivation, Verantwortung und Führung zu übernehmen – sowohl für das eigene Handeln als auch für gemeinsame Ziele. Das Mischpult-Prinzip bietet für alle Phasen des Prozesses und darüber hinaus – für ein lebenslanges Lernen – konkrete Instrumente, die der individuellen Orientierung im jeweiligen Prozess dienen und eine gemeinsame Sprache, Verständigung und Reflexion darüber ermöglichen. Diese Prozesse lassen sich durch die Arbeit nach dem Mischpult-Prinzip in allen inhaltlichen und thematischen Kontexten herstellen und setzen dort an, wo Veränderung wirklich beginnt: Bei uns selbst.
Inhaltlich geht es beim Mischpult-Führungstraining darum, Herrschaftssysteme und Dynamiken zu erkennen und daraus resultierende, eigene Ohnmachtserfahrungen aufzuspüren, die bisher unverarbeitet sind. Oft werden diese unbewusst zu inneren Realitäten, die unseren Blick auf die Welt verstellen und uns in unserer Potentialentfaltung und Übernahme von Verantwortung blockieren. Durch die Arbeit nach dem Mischpult-Prinzip werden die Ebenen Kognition, Emotion, Körper und Spiel miteinander verbunden. Auf diese Weise werden nachhaltige Lernprozesse in Gang gesetzt die in der Überwindung und im spielerischen Überschreiben blockierender Verhaltensmuster münden und die Teilnehmenden zur Führungsverantwortung ermächtigen – sowohl im beruflichen wie auch im „wahren“ Leben.
Das Führungs-Training zum Veto-Prinzip
1 Biografie (individueller Prozess und Austausch/Reflexion in der Kleingruppe)
2 Statuslehre (individueller Prozess und Spiel plus Reflexion in der Kleingruppe)
3 Mischpult-Führungs-Training (Gruppen-Prozesse: Reales Erleben der Produktivität von Vielfalt durch selbstbestimmtes Kooperieren und Gestalten in der diversen Gruppe mit anderen)
4 Kommunikationstraining Die „Kärtchen-Küche“: Spielen, Führen, Reflektieren mit Mischpult und Skalen
Konzeptbeschreibung
Ausgangslage
Menschliche Gesellschaften werden aktuell in weiten Teilen von Dominanz, Machtstreben und Konkurrenz bestimmt. Ausbeutung von Menschen und Natur werden als selbstverständlich und unveränderbar wahrgenommen.
Die Herausforderungen der Weltgemeinschaft sind komplex und die Ressourcen auf unserer Erde endlich.
Gesellschaftliche Verantwortung, gegenseitige Fürsorge und Mitgefühl gelten als „weich“ und weniger wertschöpfend.
Beschleunigung und Individualisierung/Vereinsamung nehmen zu und führen zu Stress, Versagens- und Verlustängsten.
Die Ausbildung von Selbstwertgefühl als Basis für mentale und psychische Stärke ist von Zufall und Geburt (race, gender, class) abhängig.
Das Bildungssystem, insbesondere schulische Noten, vermitteln Konkurrenz- und Gehorsamsdenken, statt die Fähigkeit der (Selbst-)Führung.
Kooperation, Gleichwürdigkeit und Eigenverantwortung werden nicht systematisch vermittelt, eingeübt und vorgelebt. Dadurch fehlen Möglichkeiten des gemeinsamen Lernens, des Perspektivwechsels und des Nachahmens und damit der gemeinsamen Überwindung tradierter Machtstrukturen.
Lösungsansatz Veto-Prinzip
Durch die Arbeit mit dem Veto-Prinzip werden Räume geschaffen, in denen Menschen Alternativen zu autoritärem Handeln kennenlernen, sich systematisch aneignen und einüben können.
Menschen brauchen Alternativen zum autoritären Handeln, um auf der Basis ihrer eigenen Bedürfnisse, Grenzen und Potenziale Führung und Verantwortung für sich selbst, phasenweise auch für die anderen und grundsätzlich für ein gemeinsames Ziel übernehmen zu können und zu wollen.
Kinder und auch Erwachsene lernen am nachhaltigsten durch Beziehung und menschliche Vorbilder, die sie in der konkreten Praxis erleben und spiegeln können
Das Veto-Prinzip bietet Instrumente, an denen sich alle auf ihrem Weg hin zu Gleichwürdiger Führung orientieren können.
Das Veto-Prinzip kann in künstlerischen Produktionen, in schulischen oder außerschulischen Kontexten sowie in Arbeits-, Unternehmens- und Beziehungskontexten angewendet werden.
Wie können Selbstverantwortung, und demokratische Kernkompetenzen vermittelt werden? Eine Antwort lautet: Indem ich (Selbst-) Führungskompetenz vorlebe und vermittle. Denn Führung übernehmen heißt nichts anderes, als Verantwortung zu übernehmen. Ein demokratischer Raum, in dem Vielfalt für alle Beteiligten als persönliche Bereicherung spürbar wird, erfordert Führungskompetenz ALLER Beteiligten. Dies lässt sich durch das VETO-PRINZIP schrittweise von eigenen Erfahrungen ausgehend vermitteln. Wenn alle im Raum auf der Basis ihrer eigenen Bedürfnisse, Grenzen und Potentiale Führung/Verantwortung für sich selbst, phasenweise auch für die anderen und grundsätzlich für ein gemeinsames Ziel übernehmen können und wollen, entsteht ein hochwirksamer demokratischer Raum, der Vielfalt als Glücksfall für alle sichtbar macht. Alle Beteiligten lernen auf ein gemeinsames Ziel hin – von unterschiedlichen Ressourcen und Perspektiven ausgehend – Verantwortung zu übernehmen. Sie lernen demokratisch zu führen und selbstbestimmt zu folgen. Sie lernen, auf sehr produktive Weise zu kooperieren.
Die Entwicklung des Veto-Prinzips als Konzept gleichwürdiger, demokratischer Führung basiert auf der Praxiserfahrung, dass Menschen nur dann miteinander kooperieren und demokratische Kernkompetenzen erwerben, wenn entsprechende Umfelder dafür geschaffen werden, in denen demokratisches Denken und Handeln Schritt für Schritt von Grund auf vermittelt, verstärkt und im konkreten, praktischen Handeln verinnerlicht werden.
Um auf der Basis ihrer eigenen Bedürfnisse, Grenzen und Potentiale Führung/Verantwortung für sich selbst, phasenweise auch für die anderen und grundsätzlich für ein gemeinsames Ziel übernehmen zu können und zu wollen, brauchen Menschen Alternativen zum autoritären Handeln.
Kinder und auch Erwachsene lernen am nachhaltigsten durch Beziehung und menschliche Vorbilder, die sie in der konkreten Praxis erleben und spiegeln können. Dafür braucht es transparente Konzepte sowie einen angeleiteten, schrittweisen Prozess, in dem sie konkret lernen, in die Selbstverantwortung zu gehen, und in dem sie in der Folge dann auch Führung für andere und für gemeinsame Ziele übernehmen können, sowie (Lehr-) Personen, die auf der Basis eigener Integrität als gleichwürdig agierende Rollenmodelle vorleben, was Demokratische Führung bedeutet.
Das Veto-Prinzip kann in künstlerischen Prozessen genauso angewendet werden, wie in Schulen, Hochschulen oder in Arbeits- und Unternehmenskontexten. Die Teilnehmenden lernen die Elemente des Mischpult-Prinzips wie die demokratischen Führungsjoker (siehe unten) im praktischen Tun kennen. Sie erleben alternative Handlungsweisen und wie es sich für sie selbst anfühlt, wenn Menschen sich gleichwürdig begegnen und in Beziehung zueinander sind.
Das Veto-Prinzip setzt sowohl inhaltlich als auch strukturell auf Prozesse, die zur Autonomie und Verantwortungsübernahme des*der Einzelnen führen. Die (Lehr-) Person übernimmt als „Schildkröte“ (siehe unten) zu Beginn Verantwortung für den Prozess und legt offen, was sie tut, während sie führt. Schritt für Schritt gibt sie Verantwortung an andere ab und übernimmt nur noch beratende Funktion, wenn sie gebraucht wird. Nach und nach übernehmen die Teilnehmenden die Elemente in die Zusammenarbeit untereinander. Das Konzept schafft eine gemeinsame Sprache, alle verstehen, was zum Beispiel das Veto ist, und haben durch konkretes Erleben gelernt, dass es respektiert wird.
Arbeitsinstrument beim Veto-Prinzip ist das MISCHPULT.
Das Mischpult fungiert zugleich als Bild und Metapher auf der einen Seite und als konzeptionelle Beschreibung des Materials auf der anderen Seite. Das Wort Mischpult bezeichnet hier sowohl als Metapher als auch als Materialbeschreibung das von mir entwickelte Gesamt-Konzept demokratischer gleichwürdiger Führung.
Als Metapher beschreibt der Begriff den zugrundeliegenden Gedanken, dass jeder Mensch hier als Mischpult verschiedenster individueller Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten verstanden wird. Diese individuellen Handlungs-und Gestaltungsmöglichkeiten sind als „Kanäle“ eines Mischpults zu verstehen. Entsprechend diesem Bild kann jeder Mensch seine eigenen „Kanäle“ jeweils von „Null“ (Veto), über „sehr einfach“ bis hinauf nach „sehr komplex“ selbstbestimmt steuern.
Ziel des konzeptionellen Ansatzes ist es, den Beteiligten ihre jeweils unterschiedlichen Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten (Mischpult-Kanäle) aufzuzeigen und sie schrittweise dazu zu ermächtigen, die eigenen Kanäle selbstbestimmt auf einer Skala von „einfach bis komplex“ zunehmend autonom und versiert und in Richtung zunehmender Komplexität und Qualität auf ein gemeinsames Ziel hin zu steuern.
Dies geschieht durch die kontinuierliche Arbeit nach konkret ausformulierten Prinzipien und mit dem Mischpult, das als Bezeichnung auch das Material selbst meint: die verschiedenen Karten (Methodenrepertoires: Materialkästen, erschienen im Beltz Verlag), die in ihrer Gesamtheit – in immer wieder neuen Zusammenstellungen und Anordnungen – das gemeinsame Referenzsystem bilden, auf das sich eine Gruppe in ihrem Gestaltungsprozess bezieht und das als gemeinsamer Wissens-Pool durch die Weiterentwicklung der Gruppenmitglieder ständig wächst.
Das VETO-Prinzip basiert auf einer inklusiven Lernkultur und rückt den Begriff der stets wechselnden FÜHRUNG – als Grundbedingung für demokratische Arbeitsweisen – explizit in den Vordergrund. Führung (zur Mündigkeit) wird hier klar vom Begriff der HERRSCHAFT und von hierarchisch gedachten Arbeitsweisen abgegrenzt.
Das Konzept geht von der real existierenden Vielfalt aus und zielt darauf ab, die Verschiedenheit der Potentiale aller Beteiligten konstruktiv zu verstärken und initiiert die nachhaltige Arbeit an einer inneren Haltung (Selbstwert, Autonomie).
Vier Führungstypen im Statustraining
Die vier Führungstypen sind Bilder, an denen ich mich orientieren kann, wenn ich Führung übernehme. Wir alle haben Anteile aller vier Typen in uns – haben uns aber oft in einer Komfortzone eingerichtet, mit der wir bislang gut durchs Leben gekommen sind. Im sogenannten Statustraining kann ich diese Komfortzone in einem geschützten Raum verlassen und meinen Handlungsspielraum erweitern.
Dabei wird unterschieden zwischen äußerem Status (Gesten, Mimik, Sprache, etc.) und innerem Status (innere Haltung).
Die vier Status-Typen (Führungs-Stile)
Löwe: außen hoch – innen hoch. Der Löwe erzeugt Distanz und Respekt, aber keine Nähe und Sympathie. Ich bin im Löwen, wenn ich mich absolut souverän und sicher fühle. Führung über Macht und Autorität.
Kläffer: außen hoch – innen tief. Der Kläffer erzeugt weder Respekt noch Sympathie. Ich bin im Kläffer, wenn ich Angst habe, die Kontrolle zu verlieren, und Druckmittel einsetze. Führung über Angst und äußere Statussymbole.
Erdmännchen: außen tief – innen tief. Das Erdmännchen erzeugt Nähe und Sympathie, aber keinen Respekt. Ich bin im Erdmännchen, wenn ich mit allen in Harmonie sein will und nicht für mich selber sorge. Keine Führung.
Schildkröte: außen zu 90% tief – innen hoch. Ich bin in der Schildkröte, wenn ich für mich und andere einstehen kann, weiß, was ich will, und mich als Mensch mit meinen Schwächen nicht verstecken muss. Führung über Liebe, Vertrauen und Integrität.
Concept: The Theatrical Mixing Board
The heart and strength of Europe is democracy. But democracy seems to be more and more fragile these days.
The openness, diversity and freedom of our continent is in danger.
To counteract the visible signs of regression into old patterns of nation-state behaviour, separation and the erosion of solidarity, I believe in participatory ways of creating art and theatre. As a concrete contribution to this end I am happy to present to you the Theatrical Mixing Board…:
Democracy needs leadership. Leadership is not ruling over people. Leadership means taking responsibility. But leading doesn’t come natural to us. We have to learn it step by step. This is what we do when working with the Theatrical Mixing Board: taking turns directing, creating and sharing our experience in constant exchange with each other (by means of a detailed feedback concept called a „Talk among friends“).
The „Theatrical Mixing Board“ is a concept which I developed over the course of many years: a shared reference system that opens up a shared play- and experimental space and makes full transparency possible – which is the basis for overcoming imbalanced power structures. With the help of various creativity containers and the principles of democratic leadership (for example the DEMOCRATIC LEADERSHIP JOKERS: TEMPO! CLARITY! RESPONSIBILITY! & VETO!), everyone can find their own individual way of accessing the Theatrical Mixing board and it’s innumerable possibilities of innovative creation. Working with the Theatrical Mixing Board means reflecting and practicing democracy, strengthening and developing your true self and your individual potentialand experiencing the power of working in cooperation instead of in competition“.