Die fünf demokratischen Führungsjoker

Tempo, Klarheit, Verantwortung, Veto und Störgefühl:

Die fünf Demokratischen Führungs-Joker sind zentrale Koordinaten, um jegliche Arbeits- und Lernprozesse von Anfang an demokratisch gestalten zu können.

Jedes Mitglied der Gruppe hat jederzeit die Möglichkeit, über diese fünf Führungs-Joker zu verfügen und damit anzuzeigen, wo innere Grenzen überschritten werden („Gesetz der inneren Grenze“). Die fünf Demokratischen Führungs-Joker gelten grundsätzlich in allen Phasen des gesamten Prozesses.

 

Tempo: Wenn eine Spielerin den Arbeitsprozess als zu langsam bzw. langweilig oder unterfordernd empfindet, darf sie an die jeweilige Person, die führt (auch an die Lehrkraft), „Tempo!“ zurückmelden. Auf diese Weise erfährt die Führung, dass diese Spielerin mehr Input braucht.

 

Klarheit: Wenn ein Spieler etwas nicht versteht, sei es akustisch, sprachlich, inhaltlich, oder weil die Formulierung undeutlich oder zu kompliziert erscheint, darf der Spieler (auch an die Lehrkraft) „Klarheit“ zurückmelden und die Führung auf diese Weise auffordern, sich deutlicher oder anders auszudrücken. Der Führungs-Joker „Klarheit“ bedient den Aspekt der Barrierefreiheit: Wenn ich etwas nicht verstehe, ist das nicht meine „Schuld“, sondern liegt in der Verantwortung der Führung, die so kommunizieren muss, dass die Mitglieder der Gruppe ALLE partizipieren können (Prinzip wie beim Ball-Warm-up: Nicht derjenige, der den Ball nicht fängt „hat Schuld“, sondern derjenige, der den Ball „so schlecht geworfen hat“) – natürlich ist diese „Schuldfrage“ humorvoll zu sehen. Dennoch handelt es sich hier um ein grundlegendes Prinzip: Wer führt, trägt die Verantwortung dafür, dass alle verstehen, was die Führung vermitteln will. Die Führung kann diese Kompetenz dadurch immer weiter trainieren, dass sie ehrliche Rückmeldungen von den anderen Gruppenmitgliedern erhält. Diese Rückmeldungen sind nicht als Kritik, sondern als Hilfestellung und wertvolle Information zu sehen.

 

Verantwortung: Wenn eine Spielerin das Gefühl hat, dass Aufträge, persönliche Ansprache und/oder Anweisungen die inneren Grenzen anderer Spieler*innen überschreiten, diese sich aber vielleicht nicht trauen, rechtzeitig „Veto!“ einzufordern, dann darf diese Spielerin „Verantwortung!“ rufen und der jeweiligen Führung auf diese Weise signalisieren, dass hier eventuell Grenzen überschritten werden und die Anweisung zurück genommen werden muss (wie bei allen Führungs-Jokern: Kann auch an die Lehrkraft gerichtet werden).

 

Veto: Jede und jeder einzelne Spieler*in kann zu jeder Zeit einen Auftrag oder eine Anweisung ohne Begründung verweigern.

Erst dadurch entsteht der innere Freiraum, sich auf Neues und Fremdes einzulassen und sich zu trauen, Risiken einzugehen.

Es ist so, wie wenn wir auf dem 10-Meter-Turm stehen: Wir möchten selbst entscheiden, wann wir springen — und nicht runter geschubst werden. Wer führt, kann hinterher unter vier Augen die betreffende Spielerin fragen, warum sie „Veto“ eingelegt hat. Aber auch das muss freiwillig geschehen, die Spielerin ist nicht dazu verpflichtet, sich zu erklären.

Störgefühl: Der fünfte demokratische Führungsjoker „Störgefühl“ kann Blockaden in der Kommunikation auflösen. Wann immer eine Person sich – aus welchen Gründen auch immer – im Status herabgesetzt oder in der eigenen Integrität verletzt fühlt – kann sie ein „Störgefühl“ melden und damit im Gespräch unter Freunden deutlich machen, dass irgendetwas sie irritiert oder blockiert. Mit „Störgefühl“ wird die rein inhaltliche Ebene verlassen und stattdessen auf die Beziehungsebene gewechselt. Wenn ich „Störgefühl“ sage, darf ich subjektiv und mit meinen eigenen Worten beschreiben, warum ich mich gerade unwohl fühle. Der Führungsjoker „Störgefühl“ ist eine konkrete Form, dem Prinzip „Konflikte haben Vorrang“ gerecht zu werden. Anfangs müssen solche „Störgefühl-Situationen“ von der Leitung moderiert werden, um vorzuleben, dass es nicht um Anklagen oder Vorwürfe geht, sondern um einen Lernprozess, die eigene Integrität und die der anderen zu respektieren und auf dieser Grundlage gemeinsame Lösungen zu finden.

Die fünf Demokratischen Führungsjoker sind Karten des Theatralen Mischpults. Sie können  aber in allen Lehr-und Lernprozessen in allen Fächern, Kontexten und Lernprozessen angewandt werden. (Die fünf Karten können selbst „erstellt“ werden. Ansonsten befinden sie sich aber auch im „Methodenrepertoire für Tanz und Bewegung“, Beltz 2017).