Partizipative Startrampen

Was ist eine partizipative Startrampe? Vom Grundprinzip geht es darum, den Reflexionsweg, der beispielsweise zur Erfindung der Noten geführt hat, wieder an seinen Anfang zurückzuverfolgen. Denn die Noten in der Musik sind das Ergebnis einer Vielzahl an Erkenntnissen, Erfahrungen und Fragen. Welche Erkenntnisse und Fragen, welches Wissen war es, das zur Erfindung der Noten geführt hat? Und wie können wir diesen Prozess wieder erlebbar machen?

Nehmen wir das Beispiel des »Theatralen Mischpults«:

Das Wissen und die Koordinaten zur Kunstform Theater wurden in viele kleine Einzelteile fragmentarisiert – in Form von Karten. Welches ist die kleinstmögliche Einzel-Information zur Kunstform Theater? Woraus besteht Theater? Was macht eine theatrale Handlung aus? Welche Koordinaten bzw. Ebenen sind wirksam, wenn ein Spieler etwas tut und ein Zuschauer dies betrachtet? Welches ist der kleinstmögliche zu fassende Qualitätsbaustein von Theater?

Der Erfinder von partizipativen Startrampen muss sich überlegen: Inwieweit kann ich eine komplexe Information, über die ich selbst bereits verfüge, zurück verfolgen an ihren Ursprung? Wo hat der Reflexionsprozess ursprünglich begonnen? Welche Frage war vielleicht der Beginn aller Überlegungen, die zum Schluss zu dieser Information bzw. zu diesem Begriff geführt haben? Und wie kann ich diese Information in kleinstmögliche Einzelteile – einzelne Bausteine, die wir nebeneinanderlegen können – zerlegen und die wiederum ganz neu kombiniert werden könnten?

Das Aufsplitten der »Faktoren«, die Theater ausmachen und die transparente Visualisierung all dieser Einzelbausteine ermöglicht einem Menschen, der noch nichts darüber weiß, einen eigenen, individuellen Einstieg (low floor). Er kann irgendwo anfangen und sich mit einem »Baustein« beschäftigen – bis sich aus der Beschäftigung damit eine Frage oder eine Neugier entwickelt, die zur Suche nach einem weiteren Baustein, einem weiteren Fragment, führt.

Da die Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten unendlich ist (wide walls), kann jeder Mensch ganz und gar eigene, individuelle Wege wählen und darüber persönliche Erfahrungen und in der Konsequenz Erkenntnisse gewinnen. Da er immer der nächsten, sich logisch entwickelnden, eigenen Frage folgen kann, ergibt dieser Prozess für ihn Sinn und der Erkenntniszuwachs wird als beglückend empfunden. Je mehr der Mensch auf diese Weise erfährt, desto mehr möchte er wissen.

Eine partizipative Startrampe zu bauen bedeutet also, etwas zu erfinden, das die Fragen zu einem Themenfeld wieder neu ermöglicht – und unendlich viele Zugänge dazu ermöglicht. Das heißt auch, dass dieser Prozess ergebnisoffen ist (high ceiling). Vielleicht (wahrscheinlich!) findet ein Kind beispielsweise beim Experimentieren mit den Einzel-Fragmenten zur Kunstform Theater eine theatrale Form, die es noch nie gegeben hat…

Dieses Prinzip der Fragmentarisierung und »Zur-Verfügung-Stellung« von bestehendem Wissen, bzw. bestehenden Begriffen, kann immer wieder zu neuem Wissen und zu neuen Begriffen führen. Das bestehende »Wissen« kann überwunden werden. Diese Tatsache ist die Quelle jeglicher Motivation. Und sie ist der Kern jedes gelungenen Bildungsprozesses: Ich muss nicht irgendwelches Wissen anhäufen, dass ich vielleicht auch wieder vergesse und das mich nicht so sehr interessiert – sondern ich erlebe Schritt für Schritt, dass ich mehr von der Welt verstehe und dass ich Neues entdecken und sogar Neues erfinden und gestalten kann.