Berliner Wölfe

»Berliner Wölfe« – so haben Schülerinnen und Schüler einer 8. Klasse der Anna-Siemsen-Hauptschule ihr Theaterstück benannt. Es basiert auf dem Roman »Die Welle« von Morton Rhue. Erarbeitet und theatral umgesetzt hat die Klasse 8.2 ihre eigene Interpretation des Stoffes im Rahmen eines einjährigen, fächerübergreifenden Projektes, das die Fächer Deutsch, Geschichte und Theater umfasste.

Psychologische Gruppenmechanismen, wie sie in der »Welle« auf erschreckende Weise von den Jugendlichen Besitz ergreifen und selbständig denkende Individuen in blinde Mitläufer verwandeln, entwickelten sich nicht nur während der Zeit des Nationalsozialismus oder innerhalb der DDR-Diktatur. Beispiele für ähnliche psychologische Strukturen finden sich bis heute überall dort, wo Macht und Disziplin missbraucht werden.

Basierend auf diesem Prinzip haben die Schüler_innen aus ihrer Lebenswelt heraus die Idee zu ihrer Interpretation des Stoffes entwickelt. Ein Beispiel für eine Gruppe, in der man zunehmend Zwängen ausgesetzt ist und seine eigene Meinung verleugnen muss aus Angst, ausgeschlossen beziehungsweise drangsaliert und bedroht zu werden, ist für die Jugendlichen in Neukölln eine sogenannte »Gang«. Der Titel »Berliner Wölfe« leitet sich ab aus der real existierenden Gang »Die grauen Wölfe«, die aber nur als Beispiel für das Gang-Prinzip allgemein dient.

Die Polizeibeamten in Berlin-Neukölln verweisen in ihren regelmäßig durchgeführten Gewalt-Präventions-Programmen an Schulen immer wieder auf die Gefahr der psychologischen Entwicklung Jugendlicher, die in ihrem Kiez einer sogenannten »Gang-Kultur« ausgesetzt sind: Zunächst ist der Jugendliche ZEUGE. Dann wird er selbst zum OPFER. Während dieses Prozesses entwickelt er Gefühle von Ohnmacht, Wut und Angst, die in ihm den Wunsch wecken, selbst Macht ausüben zu können. Psychologisch ist dies der Nährboden dafür, selbst zum Täter zu werden, um Anerkennung und Respekt der Gruppe zurück zu erobern und die erlittenen Demütigungen und Verletzungen zu tilgen, indem man sie an anderen abreagiert.

So entsteht die fatale Kette vom Zeugen zum Opfer zum Täter, die sich an vielen kriminell gewordenen Jugendlichen nachweisen lässt.

Wie viel dieser Drei-Schritt mit den psychologischen Strukturen in der »Welle« zu tun hat, zeigen die Theater-Schüler der Klasse 8.2 in ihrer Produktion »Die Berliner Wölfe«.