Kultur – ein Elitending? Ich freu mich gerade sehr über diesen kleinen Bericht auf 3sat, in dem es um Hussein und Momo Eliraqui geht, die seit zwei Jahren sehr erfolgreich den Jugendclub am Heimathafen leiten.
Hussein war vor langer Zeit ein Schüler von mir, als ich noch Lehrerin an einer ehemaligen Hauptschule in Neukölln war und aus der Not heraus (hohe Frustration bei allen Beteiligten) dort ab 2004 eine andere Art von Unterricht entwickelte:
Das Veto-Prinzip, das von der Ich-Stärke und Würde jeder einzelnen Person ausgeht – und nicht von einer normierten Erwartung. Damals wurde mir das ganze Ausmaß an Ungerechtigkeit und Ungleichheit unseres Schulsystems bewusst, das noch immer aus einer privilegierten, weißen, akademischen Perspektive heraus gedacht und gestaltet wird. Als ich damals begann, Rassismus und Klassismus an Schulen zu benennen, alternative methodische Wege in meinen Publikationen zu beschreiben und mich öffentlich für Inklusion und Diversität einzusetzen, reagierten viele Lehrpersonen noch sehr beleidigt und abwehrend. Immer wieder hörte ich den Satz: Nicht überall ist Hauptschule Neukölln, Maike, jetzt mach mal nicht so viel Wind!
Ich hab weiter Wind gemacht und irgendwann meine Sicherheit als verbeamtete Lehrerin aufgegeben, um NOCH mehr Wind machen zu können. Seit 15 Jahren setze ich mich – gemeinsam mit meinen beiden Kolleginnen Stefanie López und Anna Weber – mit dem gemeinnützigen Verein ACT e.V. dafür ein, dass sich endlich etwas ändert: Im Denken und Handeln und in den Strukturen an Schulen, Institutionen und Organisationen.
Das Veto-Prinzip ist ein Führungs-Konzept, das von der Ich-Stärke und Würde jedes einzelnen Menschen ausgeht. Es beschreibt konkrete Wege in die Eigenverantwortung, in die Kooperation miteinander und somit in kokreative Sinnsysteme: Was nichts geringeres ist, als die Basis für eine funktionierende Demokratie.
Im letzten Jahr haben wir das Veto-Institut gegründet. Im letzten Moment übrigens – bevor unsere gesamte gemeinnützige Arbeit – in der Folge der Pandemie und durch die krassen Einschnitte im kulturellen und sozialen Bereich – krachen gegangen wäre.
Das Veto-Institut ist ein Modell für gesellschaftliche Umverteilung. Wer das Konzept in unseren Veranstaltungen kennen und anwenden lernen möchte, ermöglicht durch die Finanzierung der eigenen Teilnahme wiederum anderen Menschen, die es sich nicht leisten können, sinnstiftende Arbeit, Ausbildung in gleichwürdiger Führung und eigenverantwortliche Lebensgestaltung – kurz: eigene Wege mit dem Veto-Prinzip. Denn die Einnahmen des Veto-Instituts ermöglichen das Fortbestehen der gemeinnützigen Arbeit von ACT e.V. Das war im vergangenen Jahr noch eine sehr knappe Nummer und im Moment sind wir leider noch auf die Solidarität der vielen angewiesen – auf Privatpersonen, die unsere Arbeit wichtig finden und uns mit Spenden über diese wackelige Phase hinweg helfen. Langfristig sind wir allerdings sehr zuversichtlich, dass sich dieses Umverteilungs-Konzept bewähren wird und vielleicht sogar anderen Mut macht, ähnliche Wege einzuschlagen.
Hussein und Momo sind EIN Beispiel dafür, warum das gesellschaftlich alles so viel Sinn (und Freude!) macht – hier zu sehen in der Doku bei 3sat (Mediathek): ‚Kultur – ein Elitending?‘ (ab Minute 12.20) Viel Spaß!:
https://www.3sat.de/kultur/kulturdoku/kultur-ein-elitending-100.html