Eva macht Freispiel – Die Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies – aus Veto-Perspektive

Also. Fangen wir mal an mit Adam und Eva. 

Warum gibt es diese Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies? 

Was ich mich als allerstes frage, ist:

Welcher Gott würde ein Wesen bestrafen, das ‚vom Baum der Erkenntnis isst‘, sich – anders ausgedrückt – durch Bildung weiter entwickeln möchte? 

Und dann: Warum ging dieser Impuls, sich über dieses autoritäre Verbot hinweg zu setzen, in dieser Geschichte explizit von einer `Frau` aus? Und wurde dann als „Sünde“ bestraft? 

Was ja auf der Hand liegt: Die Bibel und somit auch die berühmte Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies wurde von Männern geschrieben. (Frauen durften ja damals noch nicht). Was wollte uns der schreibende Dude also mit dieser Geschichte SAGEN?

Also erstmal: 

Wow! Geschickter Schachzug, um sich Frauen überlegen fühlen zu können!

Die Frau wurde in dieser Erzählung ‚aus der Rippe von Adam geschnitten‘, war also quasi Teil von Adam und dann hatte sie auch noch die Frechheit, sich selbstständig zu machen – nämlich ungehorsam zu sein und vom Baum der Erkenntnis zu essen. Und dem armen unschuldigen Adam reichte sie dann auch noch ein Stück Erkenntnis rüber – den Apfel – so dass die brutale Strafe dann beide traf – UND die gesamte Menschheit. 

Nur wegen einer ‘Frau’ haben wir also jetzt diesen ganzen Schlamassel – nur wegen Eva sind wir aus dem Paradies geflogen! Das Leben könnte so schön sein! Aber die Frau hat‘s verkackt, weil sie Erkenntnis-Gewinn statt Gehorsam gewählt hat! 

Man könnte es auch SO sehen: Eva wollte aus dem Land des inneren Gehorsams ausbrechen und stattdessen ins Land der inneren Freiheit.

Vielleicht hat sie sich gedacht: Diese Regel macht gar keinen Sinn. Also vertraue ich mir selbst (Integrität). Deswegen setzt sie sich über die autoritäre Ansage („Essen vom Baum der Erkenntnis verboten!!“) hinweg – und macht Freispiel. 

Eigentlich ziemlich cool. 

Aber warum wurde dieses Verhalten als ein so ‚krasses Vergehen‘  geframed – und wer hatte ein Interesse daran, diese Geschichte als ultimativen Sündenfall zu erzählen? 

Und warum prägt eine eigentlich so dermaßen unlogische Story bis heute unser Bewusstsein und unsere gesellschaftlichen Strukturen? 

Vielleicht vielleicht: Weil da vor langer Zeit jemand mit geringem Selbstwert die Erfahrung von Widerstand gemacht hat (Person widerspricht (und – oha! – hat eventuell Recht!)) und das als demütigenden Kontrollverlust erlebt hat.

Und statt diesem verunsichernden Gefühl einfach mal in Ruhe nach zu forschen, die Ursachen zu erkunden und sich für den (beschwerlicheren aber langfristig heilenden) Weg der Erkenntnis zu entscheiden (im Innen), wurde dann (im Außen) dem autoritär geprägten Impuls nachgegeben: 

Wer hat SCHULD und muss bestraft und klein gehalten werden? Ha!! EVA!!! Unter Schmerzen soll sie ihre Kinder gebären!

Und damit dieses ungehorsame Verhalten (eigenständiges Denken) nie wieder vorkommt – erstmal ZACK ALLE RAUS AUS DEM PARADIES! 

Und super krass dann auch: Diese ultimativ autoritäre (und natürlich absurd ungerechte!) Maßnahme wird in dieser Erzählung an Gott outgesourct. Sie kommt also von ‚ganz oben‘. Da kann mensch bzw. Adam gar nix machen. Adam kann einfach so unschuldig mit den Schultern zucken und auf die nächsthöhere Instanz verweisen… Verantwortung an ‚die da oben‘ abgeben.

Herr-lich! 

Wirklich eine tolle Geschichte. Die gedankliche Essenz des Patriarchats. Steckt alles drin. 

Und jetzt ist so das ganze alltägliche Leben (im Land des inneren Gehorsams) beschwerlich und soll es immer bleiben, weil wir eben nicht mehr ins Paradies (ins Land der inneren Freiheit) zurück dürfen. (Damit wäre dann übrigens auch geklärt, warum Freude, Spaß und Lust immer verdächtig bzw. Sünde sind und Gefahr bedeuten. Und irgendwie damit zu tun haben, dass ‘Frauen’ bzw alle, die FREISPIEL machen, sich selbst vertrauen. Geht ja gar nicht!!) 

Das  ‚Land der inneren Freiheit‘ ist das Paradies, aus dem wir von einem beleidigten, autoritär agierenden Dude vertrieben wurden.

Ach nee – von Gott natürlich, sorry. Kann man nix machen. Order von ‘ganz oben’. 

Trotzdem, bleiben wir mal bei dem Dude, der das aufgeschrieben hat. Denn da ist ja noch so ein interessanter issue, nämlich das mit der Rippe. 

Eventuell hat sich da jemand nämlich schon allein durch die Tatsache gedemütigt gefühlt, dass eine Frau einen Mann gebären kann – aber nicht umgekehrt. 

Daher muss dann in der (ziemlich schlecht) konstruierten Geschichte die Frau aus der Rippe von Adam geschnitten werden. Ganz offensichtlich steht hier das autoritär geprägte mindset dahinter, dass die Person, die vorher da war (Adam) den höheren Status hat, als die Person, die dann ‚aus ihm gemacht wurde‘ (Eva). 

Was sagt dieses mindset darüber aus, wie Männer sich also Frauen gegenüber fühlen, aus denen sie ja nun ohne jeden Zweifel ‚gemacht wurden‘? Jeder Mann auf dieser Welt hat eine Mutter, also eine Frau, die vor ihm da war und aus der er gemacht wurde. Schöne Scheiße – aus dem Status-mindset des autoritär geprägten Dudes heraus gedacht muss ja alleine DAS schon eine Demütigung sein. 

Ok, aber geht dann noch weiter die Geschichte mit dem Baum der Erkenntnis und damit, dass Eva ‘Freispiel’ macht. Warum wird das als SÜNDE erzählt? 

Wenn ich so autoritär geprägt ticke, dass ich Widerstand (Veto) und ‘Freispiel’ als Demütigung und als Kontrollverlust empfinde, dann muss ich natürlich dafür sorgen, dass bei den Leuten keine Veto-Kompetenz, sprich kein eigener Selbstwert entsteht. Und das erreiche ich nur über Anpassungssysteme, in denen Leute Angst davor haben, als Folge von eigenen Impulsen und Gedanken herabgesetzt und ausgeschlossen zu werden. In denen sich also alle in der Angst vor den sieben autoritär geprägten Todsünden befinden: Belohnen, bestrafen, beschämen, moralisieren, manipulieren, drohen, ausschließen. 

Sich anzupassen und sich zu unterwerfen – aus Angst vor der Wut eines strafenden Patriarchen – führt aber zu immer weiterer Selbstverleugnung und weiterem Selbstwertverlust. Zu immer weiteren Integritätsruinen und Sucht nach Bestätigung im Außen. Zu Konkurrenz, Misstrauen gegenüber anderen, Vereinzelung und Trennung. Wettbewerb um die Gunst des Patriarchen. 

Und damit beginnt der Teufelskreis: 

Je weniger echten Selbstwert ich habe, desto mehr bin ich auf äußere Bestätigung, Beurteilung und äußere Führung angewiesen, denn ich traue mir selbst immer weniger ein eigenes Urteil mehr zu. 

Ich traue mir selbst nicht mehr und orientiere mich zunehmend im Außen: Wie verhält ‚man’ sich? Wie kleidet ‚man’ sich? Welche Wörter verwendet ‚man’? Wie kann ich BESSER abschneiden, als die anderen? Und so richte ich mich mehr und mehr im Land des inneren Gehorsams ein. Im Land der Erwartungen anderer. Und verliere mich selbst. Und die Fähigkeit zur Verbindung mit anderen. 

Und obwohl es sich im Land des inneren Gehorsams so einsam und beschwerlich anfühlt – und je älter wir werden desto mehr übrigens! – wird die Chance, dass wir Veto machen und den Weg zurück ins Paradies finden, immer unwahrscheinlicher. Denn dafür bräuchten wir Selbstvertrauen und echte Integrität. 

Wem nützt dieser ganze Scheiß?

Patriarchale und autoritäre Systeme sind auf Menschen angewiesen, die keinen echten Selbstwert haben. Denn wer sich selbst nicht spürt, die eigenen Bedürfnisse verdrängt und sich nicht traut, für sich einzustehen (und Veto oder Freispiel zu machen), der eignet sich perfekt für Diktaturen und Kriege.

Patriarchen fordern Anpassung und Unterwerfung. Menschen mit Veto-Kompetenz gefährden ihre Macht. Eva gefährdet also mit ihrem Veto die Macht des Patriarchats. Deswegen muss sie als Sünderin verteufelt werden. 

Und damit sind wir jetzt beim Missverständnis des Wortes ‚Feminismus‘.

Das Gegenteil vom Patriarchat ist nicht ein Regime von Frauen. Kein Matriarchat. Denn wenn auch DAS autoritär wäre, würde sich die Spirale der Reproduktion von Mangel an Selbstwert nur mit umgekehrten Vorzeichen wiederholen.

Das Gegenteil vom Patriarchat ist nicht ein Matriarchat, sondern ein System, in dem diese Polarisierung zwischen Gut und Böse, zwischen Mann und Frau, Richtig und Falsch AUFHÖRT.

Ein System, in dem Menschen – aller Geschlechter – auf der Basis ihres Selbstwerts für sich und ihre Bedürfnisse einstehen und auf dieser Basis miteinander kooperieren. Ohne sich dem mindset des Patriarchats zu unterwerfen. 

Das Gegenteil vom  autoritär geprägten Patriarchat ist nicht ein Matriarchat, sondern das ‚Land der inneren Freiheit‘, in dem alle Menschen – unabhängig von ihrem Geschlecht – frei und autonom denken und handeln und Verantwortung für gemeinsame Ziele übernehmen. 

Aber diese blöde Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies wirkt noch immer nach: Feminismus wird noch immer in großen Teilen der Gesellschaft mit “Evas“ und mit Kontrollverlust assoziiert. Als Kampfansage gegen Männer. Weil im Land des inneren Gehorsams polarisierendes Denken herrscht (richtig-falsch, Mann-Frau, gut-böse, entweder-oder). 

Im Paradies dagegen gibt es keine Polarisierung. Und in der Folge nämlich: Keine Scham. (!) Warum?

Weil dort jeder ‘richtig’ ist. Im Paradies könnten ALLE sein. Selbstverständlich auch die Männer.

Aber dafür müssten wir alle die Reise nach innen machen und uns fragen, was uns denn eigentlich so stresst an dem Gedanken, dass alle vom Baum der Erkenntnis essen, Veto und Freispiel machen dürfen.

Wo genau ist die Angst? Und wo kommt sie her? Und wie kann sie geheilt werden?

Und diese Fragen bzw die Arbeit, ihnen in der Tiefe nachzugehen, die machen sich Männer leider eher weniger. Die Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies und jahrhundertelanges Patriarchat haben da ganze Arbeit (in die andere Richtung) geleistet.

Wie das alles in uns wirkt und wie es im Außen sichtbar wird, warum wir uns oft so furchtbar fühlen, wo das her kommt, und was wir ändern könnten, darum wird es auch in meinen nächsten Texten hier gehen. Und darum geht es natürlich auch beim Veto-Prinzip.  

Für heute erstmal nur so viel. Und: Wenn sich der Typ, der vor langer Zeit die Geschichte von Adam und Eva aufgeschrieben hat, schon damals all diese Fragen gestellt hätte, wäre der Menschheit möglicherweise EINIGES erspart geblieben.

P.S. Kleiner Film-Tipp dazu: KONKLAVE. Diesen Film mit Ralph Fiennes in der Hauptrolle (als ultimative Schildkröte) hat natürlich das Veto-Institut in Auftrag gegeben.

Naja. Spaß. 🙂