Corona Sheriffs oder Kooperation?

 Was mich derzeit in der Krise am meisten beunruhigt ist die schwindende Kooperationsbereitschaft zwischen Menschen. Es ist ein bisschen Kindergarten gerade: Wenn der Jan nicht stillsitzen muss, dann will ich auch nicht mehr stillsitzen. Oder noch schlimmer: Wenn ich wegen dem Jan etwas länger warten muss, bis wir zur Eisdiele können, dann hau ich dem Jan einfach mal heimlich eine runter oder mache ihm das Leben insgesamt zur Hölle, wenn die Kindergärtnerin nicht guckt. Denn soll ich etwa Nachteile einstecken, nur weil der Jan sich nicht zusammenreißen kann?? Der soll doch einfach mal stillsitzen!! Man! Kann doch nicht so schwer sein! Muss ICH ja auch!! 

Meine Wahrnehmung gerade ist: Unser innerer Kindergarten has gone BAD: 

Wir erleben sehr nervige Einschränkungen unserer Freiheit und entwickeln in der Folge Aggressionen: Leider in die falsche Richtung. Nämlich auf irgendwelche „Jan,s“, die „einfach mal still sitzen sollen“. Da raucht einer und gefährdet frecherweise seine eigene Gesundheit und DESWEGEN müssen andere Masken tragen, um solche RISIKO-PATIENTEN nicht noch weiter zu gefährden. (Echt…?) Kann der nicht einfach mal GESUND leben? Man!! Und wegen irgendwelcher Leute, die „Party machen“, bleiben die Schulen länger geschlossen (echt?) und ich muss diese Mega Belastung zu Hause mit Job und Kindern noch ewig aushalten. 

Weil DER da raucht, weil DIE da zu viel feiert, weil DER da seine Maske nicht richtig aufhat, weil ALLE MÖGLICHEN LEUTE irgendwelche unvernünftigen Sachen machen, muss ICH leiden! Warum gehen die abends nicht einfach mal früh ins Bett, stehen morgens früh wieder auf, ernähren sich ordentlich, leben GESUND und machen Yoga?! (Yoga ist nämlich das neue „Sonntags-in-Kirche-gehen“- übrigens. – Warum ist der Jan diesen Sonntag nicht in der Kirche gewesen? Mit dem stimmt doch was nicht!) 

Die Wut auf alle anderen ist nur leider GAR NICHT gesund. Und sie ist gefährlich: Weil DER JAN EINFACH NICHT STILLSITZT, KANN ICH JETZT NICHT IN DIE EISDIELE!!! ICH HAU DEN JETZT MAL!! ODER SAGE DER KINDERGÄRTNERIN, WAS DER JAN ALLES FALSCH GEMACHT HAT UND DASS DER ENDLICH HART BESTRAFT WERDEN MUSS!!! 

Wir wissen selber noch aus der Schule, dass es nichts Ungerechteres gibt, als gleiche Regeln für alle. Denn wir sind nicht alle gleich. Wir verfügen alle über sehr unterschiedliches symbolisches und geistiges Kapital und wir haben alle sehr unterschiedliche Strategien, um im Laufe unseres Lebens einigermaßen ausgeglichen zu bleiben. In Wahrheit gibt es kein „besser“ oder „schlechter“. Die einen so, die andern so. Wer sich gesund ernähren und Sport machen kann, verfügt über Vorteile, die andere nicht haben. Leute moralisch zu verurteilen, weil sie nicht „richtig leben“ ist der Anfang vom Ende einer freien Gesellschaft. Und vom Ende einer Gesellschaft, in der ich leben will. 

Wir haben ein Pandemie Problem. Und das ist komplex. Und genau deswegen müssen wir KOOPERIEREN. Und nicht aufeinander los gehen. Denn dann haben wir nur NOCH ein Problem, und das andere ist immer noch nicht weg.  

Statt Aggressionen auf andere Menschen oder sinnlose Feindbilder zu entwickeln und immer weiter zu nähren, ist es wesentlich gesünder, erstmal um das zu trauern, was uns im Moment gerade alles verloren geht und was wir vermissen. Weinen und traurig sein ist angebracht. Und darüber reden. Denn es geht vielen nicht anders. Wer trauern kann, muss nicht so wütend werden. Und ist weniger allein.

Kooperation und Solidarität mit anderen machen definitiv glücklicher, als unserem Vorder-Jan im Supermarkt den Einkaufswagen in die Hacken zu rammen. 

Zu erwarten, dass es jetzt die perfekten Menschen und die perfekte Lebensweise gibt und zu glauben, dass das eine Verhalten besser ist als das andere, bringt uns gegeneinander auf und fühlt sich scheiße an. Es ist vor allem gefährlich. Denn wenn irgendwann eine Norm gilt, wie der „ideale Mensch“ zu sein hat, dann Gute Nacht. Die schönste Welt ist die, in der alle die beste Version von sich selbst leben können. Mitsamt aller Schwächen und Eigenarten. Nur auf dieser Basis können wir den Willen zu Kooperation und Solidarität entwickeln. Und beides ist dringend notwendig, wenn wir so schnell wie möglich aus dieser komplexen Scheiße rauskommen wollen. 

Die Frage lautet also mehr denn je: Was brauchen Menschen, damit sie kooperieren wollen? 

Ich habe ein paar Ideen dazu. Klein aber fein. Kommt vorbei, wenn ihr sie kennen lernen wollt. Ich würde mich freuen. 

Online Workshop: Einführung in das Mischpult-Prinzip am Do, d. 05. November, 15-19 Uhr und:

Podcast „Türwächter*innen der Freiheit“ auf Spotify und auf meiner Seite www.maikeplath.de

Youtube: „Rede mal ordentlich, Frau Plath!“, NEU: Das Mischpultprinzip 4.0. Das Tutorial Folge 1: Herrschaft oder Führung in der Krise

Folge 2: Die vier Statustypen und der Weg zur Schildkröte

Und derzeit in Arbeit: Die neue ACT-Weiterbildung: „Vom Gehorsam zur Selbstverantwortung“ oder die ACT Workshops (www.act-berlin.de) für alle, die nicht so lange warten wollen.