Neulich bei einer Stiftungsveranstaltung, bei der ich meine Gedanken zum Thema „Zukunft Schule“ vortragen sollte, haben mich mal wieder ein paar weiße, ältere, gebildete Männer in gereiztem Ton in Grund und Boden geredet und ich habe mich gefragt: Warum sind die denn jetzt schon wieder so aggressiv? Warum können wir nicht einfach in Ruhe reden? Warum komme ich mit einem Gedankengang gar nicht mehr durch, ohne dass jemand sich angegriffen oder beleidigt fühlt?
Was ist denn da eigentlich los?
Ich habe deswegen beschlossen, dass ich jetzt eine Liebeserklärung an alle älteren, weißen Männer schreibe.
Aber weil sie mich immer unterbrechen, bevor ich fertig bin, habe ich beschlossen, dass diese Liebeserklärung nur diejenigen bekommen, die diesen Text ZU ENDE lesen. Denn es kann ja nicht sein, dass wir im Zeitalter von Facebook, WhatsApp, Instagram, Mails und Sprachnachrichten offenbar nur noch die Aufmerksamkeitsspanne eines Kaninchens haben und dann nicht abwarten können, bis ein Gedankengang zu Ende formuliert ist.
Der folgende Text ist also eine Art Training für all diejenigen, deren Konzentration ins Flackern geraten ist und die mal schauen wollen, ob es noch möglich ist, an EINEM Text von Anfang bis Ende dran zu bleiben.
Dieser Text ist für euch alle. Aber insbesondere für die älteren, weißen, gebildeten Männer, die eine Belohnung bekommen, wenn sie ihren eventuellen Ärger im ersten Teil dieses Textes in den Griff bekommen und trotz ihrer möglichen Irritationen konzentriert weiter lesen bis zum Schluss.
Worum geht’s? Es geht darum, dass ich erklären möchte, was der Zusammenhang ist zwischen Unisex-Toiletten, Greta Thunberg, Herrschaftsfreiheit, normiertem Denken und unserem Schulsystem.
Und wer sich jetzt zusammenreißt und dranbleibt, wird belohnt. Versprochen.
Meine These: Ich glaube, dass es Zeit wird, bestehende Normen zu hinterfragen und sie durch gemeinsame Werte zu ersetzen.
Das möchte ich erklären:
Wann immer eine Norm herrscht (etwas als „normal“ gilt), ergibt sich eine Hierarchie. Eine Hierarchie ist gleichbedeutend mit ungleich verteilten Machtverhältnissen:
Dazu folgende Beobachtung:
In Kontexten, die stark normativ geprägt sind (wie zum Beispiel an Schulen aber auch in zahlreichen anderen gesellschaftlichen Kontexten), fühlen sich diejenigen am sichersten und haben am meisten Vorteile, die der herrschenden Norm entsprechen. Das sind quasi die Gold-Marie-Menschen.
Eine herrschende Norm ist das, was die meisten Menschen für „normal“ halten. Zum Beispiel eine Beziehung zwischen Mann und Frau.
Oder: In Schulen halten Lehrkräfte es für normal, dass die Leistungen von Schüler*innen in Form von Noten gemessen werden. Um eine Note geben zu können, braucht es einen sogenannten „Erwartungshorizont“. Ein Erwartungshorizont ist eine Norm: Was entspricht einer Note 1, was einer 2? usw. Kinder, die dem Erwartungshorizont ohne größere Mühe entsprechen, erfüllen die Norm und sind somit „Gold-Marie-Schüler*innen“. (Ich glaube niemand wird heutzutage noch behaupten, dass die Noten ein objektives Mittel sind um tatsächliche Leistung zu messen).
Dann gibt es diejenigen, die von der Norm abweichen, sich aber ganz doll anstrengen, dass es möglichst niemand merkt. Das sind die „I can pass!“-Menschen. Diese Leute unterdrücken ihre eigenen Potenziale zugunsten der normierten Erwartungen in der Hoffnung, dass sie dann doch noch als „Gold-Marie-Menschen“ durchgehen, bezahlen dafür aber einen hohen Preis an Selbstwertgefühl. Sie machen die Erfahrung, dass etwas, das sie mitbringen oder können, nicht zählt. Dafür aber etwas anderes, das sie entweder nicht mit bringen oder nicht so gut können. Die „I-can-pass-Menschen“ halten ihre eigene Abweichung von der Norm für einen Makel, den sie verstecken müssen. Stattdessen strengen sie sich an, die Norm zu erfüllen, was aber nur möglich ist, wenn sie einen Teil ihrer Persönlichkeit verleugnen.
Dann gibt es diejenigen, die von der Norm abweichen, das normative Konstrukt aber durchschauen (entweder intuitiv wie „meine“ Schüler*innen damals an der Neuköllner Hauptschule oder aber auch intellektuell wie zahlreiche Aktivisten*innen und Künstler*innen). Das sind die Rebell*innen. Sie wissen oder spüren intuitiv, dass ein Teil ihrer Potentiale und ihrer Persönlichkeit innerhalb der herrschenden Norm nicht die entsprechende Anerkennung erhält, weil dafür gar kein Raum geboten wird.
Diese dritte Gruppe entlarvt und hinterfragt das Konstrukt der Normativität und die daraus resultierenden ungleichen Machtverhältnisse und wird mit den eigenen Anliegen und Fähigkeiten laut und sichtbar. Aber auch diese Menschen zahlen einen hohen Preis, denn ihr Widerspruch wird erstmal immer (!) als störend, „egomanisch“, „befindlich“ und „nervig“ empfunden. Dabei erfordert jedes Stückchen hart erkämpfter Sichtbarkeit großen Mut und verursacht jedes Mal den Schmerz, von den „Gold-Marie“- und den „I can pass-Personen“ krass abgewertet zu werden. Denn wer die herrschende Norm in Frage stellt, wird immer zunächst einmal als Störung oder als Bedrohung wahrgenommen. Die übliche Reaktion auf eine solche Bedrohung ist Abwertung.
Das wissen auch die „I-can-pass-Menschen“ und sie haben Angst davor, weil sie „innen tief sind“ (innere Tiefstatushaltung) und die Harmonie suchen – auch auf Kosten des eigenen Selbstwerts. Sie haben bereits Opfer gebracht, um im bestehenden System Anerkennung zu erhalten und sind daher RICHTIG sauer auf die Rebellen, weil die Rebellen ihre mühsam erkämpften normativen Erfolge natürlich in Frage stellen.
Und als vierte Gruppe gibt es noch die „Pech-Marie-Menschen“, die Unsichtbaren. Das sind diejenigen, die für sich keine Chance mehr sehen, innerhalb der bestehenden Norm Anerkennung zu finden und nicht die Kraft oder das Selbstbewusstsein haben, dagegen zu protestieren. Sie internalisieren die Demütigung, immer als „abweichend“ und nicht „gut genug“ zu gelten, halten sich selbst für „Loser“ oder „Freaks“ und fragen sich ihr Leben lang, was mit ihnen „nicht stimmt“.
Die Goldmarie-Menschen sind beispielsweise im Bereich
„Race“ die weißen Menschen,
im Bereich „Gender“ die hetero-normativen Männer,
im Bereich „Class“ die akademisch gebildeten Menschen und
im Bereich „Education“ die weißen, hetero-normativen Jugendlichen mit akademischem Bildungs-Hintergrund.
Die „I-can-pass!“-Menschen sind diejenigen, die beispielsweise am Arbeitsplatz ihre Homosexualität verheimlichen und in der Kantine mit hetero-normativen Männern gemeinsam über Schwulen-Witze lachen, oder Menschen, die ein Leben lang ihre soziale Herkunft als Makel empfinden und stolz darauf sind, wenn sie in Hochburgen des Bildungsbürgertums als „ihresgleichen“ angesehen werden. „I-can-pass-Menschen sind stets darum bemüht, sich der vorherrschenden Norm anzupassen und darüber Anerkennung zu erhalten.
Die „Rebell*innen“ sind im Bereich
„Race“ die politisch und/oder künstlerisch aktiven und sichtbaren POCs (person of color)
Im Bereich „Gender“ die politisch und/oder künstlerisch aktiven und sichtbaren Frauen und LGBTI-Menschen (Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender: lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, queere, intersexuelle und asexuelle Menschen)
Im Bereich „Class“ derzeit kaum jemand, (was interessant ist, da denke ich an Didier Eribon und „Rückkehr nach Reims“, und frage mich, ob das an Schamgefühlen liegt, denn WENN mir an dieser Stelle überhaupt jemand einfällt, dann höchstens Teile der ostdeutschen Pegida-Anhänger*innen, der „Gelbwesten“ oder auch der Trump-Wähler*innen aus den „Fly-over-countries“, die leider noch nicht bemerkt haben, dass rechte Positionen niemals zu mehr Gleichberechtigung führen können) – und
im Bereich „Education“ sind es die rebellierenden Jugendlichen – hauptsächlich an sogenannten „Brennpunktschulen“, aber zunehmend auch anderswo. Und Greta Thunberg und die derzeit gegen die Versäumnisse der älteren Generation beim Klimawandel protestierenden Jugendlichen seien hier auch als aktuelles und sehr interessantes Beispiel genannt…
Die „Pech-Marie-Menschen“ sind in allen vier Bereichen die Unsichtbaren, nämlich diejenigen, deren Geschichten wir nicht kennen.
Grob vereinfacht lasse ich das jetzt mal so stehen, auch wenn es natürlich zahlreiche weitere Facetten gibt: Wie immer denke ich in Skalen, nicht in schematischen Tabellen. Aber um die grundsätzlichen Schnittmengen in diesen emanzipatorischen Prozessen zu veranschaulichen, ist diese Aufteilung in Race, Gender, Class und Education und mit den vier Gruppen vielleicht hilfreich.
Und von „unsichtbar sein“, bzw. „sich für Anerkennung verbiegen“ bis hin zu „sichtbar werden“ und sich emanzipieren – sind es überall ähnliche Stufen und ähnliche schmerzhafte Erfahrungen. Grundsätzlich aber gilt, dass ein Mensch, der sein gesamtes Potential leben kann, ein freier Mensch ist. Und deswegen lohnt sich diese ganze Anstrengung.
Wegen dieser Parallelen bei allen emanzipatorischen Prozessen ist für mich der vierte Bereich, nämlich Bildung (education), der Schlüssel, um in allen anderen Bereichen eine Entwicklung hin zu mehr Selbstermächtigung und Vielfalt zu initiieren.
Vielfalt oder auch Diversität wird nur dann produktiv, wenn sich alle Menschen gleichwertig mit ihren verschiedenen Potentialen einbringen können. So lange aber eine Norm herrscht, entsteht eine Hierarchie, die genau DAS verhindert.
Ich frage mich, warum dieser offensichtliche „Fehler“ im System nicht längst behoben worden ist. Denn nach außen hin, sind sich alle einig, dass Diversität Innovation hervorbringt und daher Ziel aller Anstrengungen sein muss. Warum aber hält unsere Gesellschaft oder auch unser Bildungssystem am normierten Denken fest?
Es liegt meiner Ansicht nach an den Goldmarie-Menschen. Denn diese behindern die innovative Kraft von Diversität dadurch, dass sie nicht sehen, dass es eine Norm GIBT. Und dass es aber diese (für sie unsichtbare) Norm ist, die zu Hierarchien und zu Ungleichheit führt und den Reichtum von Diversität blockiert.
Warum SEHEN die Goldmarie-Menschen nicht die Norm?
Die Goldmarie-Menschen sind grundsätzlich diejenigen mit dem blinden Fleck. Und das liegt daran, dass sie selbst mitten drin in der Norm sitzen und ihnen der Außenblick fehlt. Sie verstehen die Aufregung der anderen nicht. Denn SIE erfahren ja keine Ungleichheit. (Das heißt NICHT, dass sie keine Probleme und Ungerechtigkeiten erfahren. Es heißt nur, dass sie in dem Feld, in dem sie der Norm entsprechen keine Ungleichheit erfahren).
Das Problem mit den Goldmarie-Menschen ist, dass sie sich selbst nicht von außen betrachten, sondern davon ausgehen, dass ALLE die Welt so wahrnehmen, wie sie selbst. Aus dieser Perspektive halten beispielsweise weiße, hetero-normative Männer Unisex-Toiletten für eine total überspannte und unnötige Verrücktheit oder selbstbewusste Frauen (die Rebellinnen unter ihnen) für „emotional“, „aufgeregt“ oder „nervig“.
Weißen Menschen erscheinen aus dieser Perspektive alle Personen anderer Hautfarbe (die Rebell*innen unter ihnen) „so unentspannt“ und „schlechter Laune“ (was WOLLEN die denn noch???).
Akademisch gebildeten weißen Menschen erscheinen arabische Jugendliche aus Neukölln wie „kleine Gangster“ und weiße, hetero-normative Jugendliche mit akademischem Bildungshintergrund denken sich: Na, die Chantal und der Kevin sind eben dümmer als ich und deswegen sind die nicht auf dem Gymnasium.
Auch die Frage „Woher kommst du?“ ist unter dem Aspekt der Perspektive interessant, aus der heraus sie gestellt wird: Wenn sie vom Hochsitz aus gestellt wird, fühlt sich das für das Gegenüber weniger nach ehrlichem Interesse an, sondern eher wie eine Zuschreibung mit dem Subtext: Du bist ja sicherlich nicht „richtig deutsch“, also eben nicht „normal deutsch“. Und das macht einen Statusabstand auf statt einer Einladung zur menschlichen Begegnung.
So ließen sich beliebig viele weitere Beispiele finden, aber was sie alle eint ist: Das alles sind Perspektiven vom „normativen Hochsitz“ aus, wo sich die versammeln, die der Norm entsprechen und deswegen nicht checken, wie es sich lebt, wenn mensch eben NICHT der Norm entspricht.
Wer aber plötzlich bemerkt, dass diese Perspektive nur vom Hochsitz aus möglich ist und alles ganz anders aussieht, wenn mensch stattdessen unten auf dem Boden steht und zum Hochsitz hinaufschaut, der reibt sich erstaunt die Augen…
Und dann gibt es eben jetzt diese letzte entscheidende Frage, durch welche normative Perspektive unsere Gesellschaft derzeit noch immer durch und durch geprägt ist. Und dazu müssen wir uns anschauen, welcher Typus bei uns 2019 in Deutschland auf keinem einzigen der vier Felder jemals Ungleichheit erlebt hat (wie gesagt: Probleme und Ungerechtigkeiten sicherlich, aber eben keine Ungleichheit), und deswegen noch nie vom Hochsitz runter klettern musste.
Und das ist der weiße, akademisch gebildete, hetero-normative (ältere) Mann mit bildungsbürgerlichem Hintergrund. Sowohl unser Bildungssystem als auch unsere gesamte Gesellschaft ist durch diesen normierten Blick geprägt. Diese Männer haben maßgeblich die Strukturen des gesellschaftlichen Handelns, Gestaltens und Denkens unserer Gesellschaft geprägt.
Und das haben sie gut gemacht. Dass ich diesen Text schreiben kann und mir diese Zusammenhänge bewusstwerden, hat viel damit zu tun, was diese Männer den nachfolgenden Generationen ermöglicht haben. Uns.
Aber JETZT steht dieser weiße, hetero-normative, gebildete Mann, der unsere Gesellschaft geprägt hat, bildlich gesprochen in der Aula einer Brennpunktschule und blickt auf die Verschiedenheit und Ansprüche der anderen, wie ich damals auf meine rebellierende Hauptschulklasse. Und er denkt sich: Oha, da rollt eine Tsunami-Welle auf mich zu. Da muss ich jetzt hart durchgreifen und die mal alle in die Spur bringen.
Aber ganz ehrlich: Das ist nicht die Lösung. Die Lösung ist das Gegenteil. Ich habe damals in Neukölln gedacht: „Dann muss diese Welle jetzt kommen. Ich regiere NICHT mehr gegenan, sondern gebe ganz im Gegenteil allen das Veto-Recht als Grundlage dafür, dass alle ihre Integritätsräume schützen können und von dort aus bauen wir dann Schritt für Schritt ein neues Haus aus gemeinsamen Werten und Zielen“.
Und das ist das Beste, was ich je erlebt habe. Denn wenn ich freie Menschen vor mir habe, dann KÖNNEN sie gemeinsame Werte entwickeln und dafür Verantwortung übernehmen. Dann werden sie stark und entwickeln den Willen zur Verantwortung. Weil sie selbst Teil dieser Werte und Ziele sind.
Und genau das ist das Verdienst des weißen, hetero-normativen, gebildeten Mannes, dass er diese demokratischen Strukturen geschaffen hat, durch die jetzt viele Menschen gelernt haben, Rebell*innen zu werden, ihre Integritätsräume zu schützen und nicht mehr alles Eigene zu verdrängen um Bestätigung zu erhalten. Es gibt heute MEHR freie Menschen, MEHR Perspektiven auf die Welt, MEHR Möglichkeiten, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern.
Deswegen geht es NICHT darum, „irgendwas in die Spur zu kriegen“, sondern im Gegenteil. Es geht darum, den eingeschlagenen, richtigen Weg WEITER zu gehen:
In unserer globalisierten Welt heute machen normative Konstrukte, über die Dominanz und Gewalt gegenüber abweichenden Menschen ausgeübt wird, keinen Sinn mehr. Denn wir können für die JETZIGEN größeren gesellschaftlichen Probleme nur ZUSAMMEN menschliche Lösungen finden. Und logisch: je mehr verschiedenes Potential dafür zur Verfügung steht, desto besser.
Ich könnte aber auch einfach sagen: Ich lebe lieber in einer Welt, in der möglichst viele freie, starke und glückliche Menschen leben und möglichst wenig Gedemütigte. Denn die freien, starken und glücklichen Leute haben wahrscheinlich mehr Bock darauf, Zukunft konstruktiv gemeinsam zu gestalten.
In der Neuköllner Schule damals – und seitdem immer wieder – habe ich gesehen, was passiert, wenn Menschen auf der Basis ihrer Verschiedenheit gemeinsam produktiv werden. Und ich habe gesehen, was es dazu braucht:
Einen herrschaftsfreien Raum mit einer klaren menschlichen Führung auf der Basis gleichwertiger Beziehungen – klare konzeptionelle Regeln und schrittweise Vermittlung von Werten und Führungskompetenz.
Wenn dann mit der Zeit alle diese Form der menschlichen Führung können und wollen – im Sinne von Verantwortung übernehmen – dann haben wir eine Chance, die gegenwärtigen Probleme zu lösen.
Deswegen wünsche ich mir, dass alle Leute, die sich noch auf den Hochsitzen befinden, runter kommen und sich anschauen, was in Wahrheit alles möglich ist. Denn wer noch oben sitzt, wird es mir nicht glauben: Aber ich weiß, dass es eine ENTLASTUNG ist, die Brille der normativen Überheblichkeit abzusetzen und die anderen zu SEHEN, wie sie wirklich sind.
Dafür müssen wir Herrschaft (über das Mittel einer bestehenden Norm) ersetzen durch menschliche Führung.
Und ich stehe mit Respekt und Dankbarkeit vor allen älteren, weißen, hetero-normativen, gebildeten Männern, die die gesellschaftliche Grundlage für all diese emanzipatorischen Entwicklungen geschaffen haben, in der diese Gedanken überhaupt erst wachsen konnten:
Liebe weiße Männer,
Jetzt ist es Zeit in gegenseitiger Anerkennung zu bleiben und den folgerichtigen nächsten Schritt zu wagen, den ihr erst ermöglicht habt:
Herrschaft durch MENSCHLICHE FÜHRUNG ersetzen und die jeweils herrschende Norm durch gemeinsame Werte.
…Und an dieser Stelle klettere auch ich selbst vom Hochsitz wieder runter, den ich für das Schreiben dieses Textes absichtlich eingenommen habe, um ein bisschen spiegeln zu können, wie es sich anfühlt, wenn wir mit Begriffen und Zuschreibungen beschriftet werden. Denn wer hier eine schmerzhafte Irritation empfunden hat, der kann vielleicht einen Hauch davon erahnen, wie es sich für viele Menschen die ganze Zeit anfühlt. Ich hoffe, dass wir uns dann am Boden (der Tatsachen) wieder treffen und ein spannendes Gespräch auf Augenhöhe beginnen können… nämlich darüber, wer wir wirklich sind.