Medizin für die Demokratie Part 3


Was ist los mit uns und warum hängen wir manchmal noch innerlich im „demokratischen Kindergarten“ fest – wie ich das jetzt mal so nenne. Es wäre so nützlich und auch tröstlich, wenn wir den Sprung in eine etwas selbstbestimmtere Haltung finden würden… so ein bisschen mehr Erwachsenen-Ich vielleicht… 

Wie könnte das gehen? 

Anhand einer Krise lässt sich sehr gut beobachten, was es mit der inneren Haltung im „Kind- oder im Erwachsenen-Modus“ auf sich hat. 

Es gibt derzeit Menschen, die 24/7 im Einsatz sind und ununterbrochen selbstverantwortlich Entscheidungen treffen müssen. Diese Menschen sind zwangsläufig in den Erwachsenen-Modus gegangen, weil sie sich in der Zuspitzung der Lage den Kind-Modus nicht mehr leisten konnten. Diese Leute sagen: 
Für eine Opferhaltung habe ich keine Zeit. 

Da mag jetzt jemand einwenden: Na toll – aber davon kriegen wir ja noch lange keine Demokratie. Nee. Wobei…

Aber wie auch immer: Diese Haltung ist jedenfalls die Grundvoraussetzung, um eine Demokratie lebendig und funktionsfähig zu machen und zu halten. Und dazu gibt es jetzt gerade ne Menge zu erleben und zu lernen, was wir nach der Krise nutzen könnten. 

Was an diesem Beispiel des „Zwangsläufig-ins-Erwachsenen-Ich-Wechseln“ so ein bisschen bedeutsam ist: Ohne äußeren Druck – also freiwillig – gehen wir offenbar nicht so gerne in den Erwachsenen-Modus.

Erstens, weil wir ein Leben lang gelernt haben, im Kind-Modus zu bleiben – wahlweise im angepassten oder im rebellischen Kind – und auch, weil viele gesellschaftliche Institutionen und Strukturen (vor der Krise) immer unser inneres Kind anspiel(t)en. Das ist gar keine böse Absicht, da sitzt kein James-Bond-Bösewicht im Hintergrund und hat das alles fiese so geplant, dass wir alle Kinder bleiben und somit schön steuerbar. Das ist einfach eine notwendige Entwicklungsphase der Demokratie (gewesen). Wir waren einfach noch nicht weiter.

Und jetzt könnte man sagen: Hey Kinners! Jetzt mal raus an die frische Luft und plant jetzt mal selber eure Ausflüge – ins Leben! Und das ist so ein bisschen lustig, weil ein Hauch davon ja gerade passiert: Angela Merkel sagt: „Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst“. Sie möchte gerne, dass wir jetzt mal einen Schritt weiter kommen mit der Demokratie. Aber sie weiß: Verdammich viele Kinners am Start! 

Die angepassten Kinder schreien: „Wir brauchen unbedingt Ausgangssperre! Wenn ICH nicht raus darf, DANN auch kein anderer! Da musst du jetzt WIRKLICH mal hart durchgreifen, Angela!! ALLE müssen zu Hause bleiben!!! Aber auch wirklich ALLE jetzt!! Und bitte bitte harte Strafen für diejenigen, die sich nicht dran halten!! Denn ICH bin brav. Und ich kann mich dann so gut fühlen, dass ich alles RICHTIG mache!!“

Die rebellischen Kinder schreien: „Merkt ihr was? MERKT ihr was??? Angela will die Demokratie abschaffen!!! Sie sagt nicht Ausgangssperre aber sie VERBIETET uns raus zu gehen und hebelt über Nacht alle demokratischen Grundrechte aus! Und WESWEGEN??? Wegen einem Virus, der nicht schlimmer ist als ne Grippe! Das ist doch der Wahnsinn! Die Wirtschaft bricht zusammen! Das gesamte soziale Leben bricht zusammen! Die Welt geht unter! Es wird Diktaturen und Kriege geben!! ALLES geht den BACH runter!!! ICH sehe es kommen! Aber die Politiker sind alle zu blöd!! (ICH bin genial, denn ich sehe es alles, aber MIR hört ja keiner zu! Und wenn ich was sage, kriege ich gleich einen Shitstorm! Schluchz!)“. 

Ja. Das sind so die rebellischen Kinder. Und das ist jetzt im Prinzip so der „demokratische Kindergarten“ in Deutschland. Und Angela ist echt geduldig mit ihren Kindern und auch zuversichtlich, denke ich. Denn eben: In einer Krise wird es wahrscheinlicher, dass Menschen in den Erwachsenen-Modus kommen. Und einige – insbesondere die „systemrelevanten“ Leute sind da ja auch größtenteils schon angekommen. 

Ja und wie geht das denn jetzt, wenn ich noch nicht so systemrelevant bin und also zu Hause sitze und immer diese schlimmen Sachen bei Spiegel Online lese und mich dann frage: „Scheiße- muss ich jetzt WIRKLICH mal was sagen wegen der demokratischen Grundrechte? Aber nee eigentlich vertrau ich da schon auf unsere Demokratie und unsere Politiker*innen… die werden diese Sachen bei Spiegel Online ja auch lesen… Mmmh. Ja, aber vielleicht sollte ich mal gegen diese Verschwörungstheoretiker (ja, es sind nur Männer…) im Netz was sagen… aber ich weiß gar nicht was, denn ich hab ja auch keine Ahnung… mmmh. Ja was soll ich jetzt MACHEN?“

Ok. Ich mach mal nen kleinen Vorschlag: Als erstes vielleicht ruhig mal gepflegt zusammen brechen. Und zulassen, dass das jetzt ne Krise ist. Und keine Angst vor Gefühlen haben. Bisschen heulen. Bisschen wackeln. Und dann irgendwann das innere Kind liebevoll los lassen. Und in kleinen Dosen trainieren, den allgemeinen Unsicherheits-Zustand auszuhalten. Das ist wirklich schwer. Das Nicht-Wissen auszuhalten. Aber je besser uns das gelingt, desto mehr Energie haben wir irgendwann wieder zur Verfügung für das, was notwendig sein wird. Vielleicht sogar für schöne und erfüllende Aufgaben – wer weiß… 

In diesem Sinne für heute Tschüss! 
Mehr in Part 4! May the (democratic) force be with you!