(Warnung: Dies ist ein sehr persönlicher Text. Er gibt meine subjektive Sicht, meine Eindrücke vom Festival wieder. Das mögen bei anderen ganz andere gewesen sein. Für mich war dieses Festival besonders. Und deswegen schreibe ich hier darüber).
Die Festival-Woche des “Schultheater der Länder 2018″ in Kiel hatte die Besonderheit von ununterbrochener, geradezu aufdringlicher Herbst-Sonne. Alles schien in goldenes Licht getaucht, man konnte es nicht fassen und musste immer den Impuls unterdrücken, übers Wetter zu reden – und das konnte ja nicht sein: Man war ja aus anderen Gründen gekommen, als übers Wetter zu reden.
Ich muss trotzdem mit dem Wetter beginnen, denn es wurde zum Mitspieler und zum Subtext dieses gesamten Festivals zum Thema „Theater und Politik“:
Von der an eine große Sommerparty erinnernden Atmosphäre vor dem Festival-Zentrum im RBZ, über die ausgelassen fröhliche Dampferfahrt nach Laboe mit allen Festival-Teilnehmer*innen bis hin zum gemeinsamen lauschigen Draußen-Sitzen bis tief in die Nacht – überall spielte das Wetter mit. Und das alles wirkte geradezu magisch.
Aber über diesen letzten Tagen eines unglaublichen, scheinbar ewigen Sommers hing bereits die melancholische Ahnung, dass er jetzt zu Ende ging.
Die herunter plumpsenden Kastanien und raschelnden Blätter auf den Fahrradwegen erzählten davon – aber eben auch die Vorträge der Fachtagung, die 16 Theaterproduktionen, die teils rasend komisch, teils zutiefst bewegend, insgesamt aber alle auf ihre Weise politisch aufschlussreich waren, und nicht zuletzt die zahlreichen Gespräche zum Thema dieses Festivals:
Man wusste nach Chemnitz, Maaßen-Affäre und dahin bröckelnder Regierungs-Krise in Berlin, nach Trump, Brexit und Flüchtlingskrise, dass sich in diesen langen Sommer – nach außen noch unmerklich – eine dunkle, ja, eine braune Farbe eingeschlichen hatte. Winter is coming.
So beendete denn auch Uta Plate ihren fulminanten Vortrag bei der Fachtagung mit einem Aufruf an alle Theaterlehrer*innen, „den kommenden Zeiten mit Mut und Kraft entgegen zu treten“.
Und so mischte sich während des gesamten Festivals die Ausgelassenheit und Freude mit der darunter liegenden Erkenntnis, dass „ein sehr langer Sommer, den wir für selbstverständlich gehalten hatten“ mitsamt seiner Unbeschwertheit nun unwiederbringlich zu Ende ging.
Tatsächlich schien diese Theaterwoche es der Sonne gleich zu tun: Sie bot noch einmal alles auf und machte alles sichtbar, was im Schultheater an Vielfalt, Qualität und Entwicklung in den letzten Jahrzehnten möglich geworden ist. Es schien so, als habe noch kein SdL zuvor mehr Vielfalt, mehr Humor und mehr Menschlichkeit gewagt, als in diesem Jahr in Kiel.
Vielleicht war es auch der Bedrückung um die allgemeine politische Lage geschuldet, dass man den Wert und den Sinn dieser ganzen Arbeit noch einmal deutlicher sehen konnte:
Denn was ist das „Schultheater der Länder“ weniger als ein bundesweites Zusammentreffen von Menschen, die sich gemeinsam eine Woche lang die Zeit nehmen, sich auszutauschen – über das wirkmächtigste und zukunftsfähigste Bildungsmittel unserer Zeit: Über Theater im Sinne von kreieren, spielerisch erforschen, reflektieren und Welt gestalten.
Klingt pathetisch, aber derzeit gibt es nicht mehr so wahnsinnig viel, was tröstlicher und ermutigender sein könnte, als zu sehen, dass sich dieses wirkmächtige Bildungsmittel trotz aller systemischen Beschränkungen und Einhegungs-Versuche offenbar nicht klein kriegen lässt. – Dank einiger Menschen, die ihre Zeit und Energie statt aufs „Garten-Hecken-Schneiden“ auf gemeinsame gesellschaftliche Visionen verwenden und dafür sorgen, dass diese sich Schritt für Schritt realisieren lassen.
Und das ist es, was ich hoffe: Dass wir uns nicht klein kriegen lassen in den Zeiten, die kommen werden. Dass die Arbeit einer ganzen Generation an Theaterlehrer*innen nicht umsonst gewesen sein wird: Theaterlehrer*innen, die seit den 70-er Jahren unbeirrt auf der Relevanz des Schultheaters beharren und dafür – unter In-Kaufnahme der zahlreichen berühmten Mühen der Ebene – eine wirkmächtige Struktur geschaffen haben. Ich hoffe, dass dieses Haus, das sie gebaut haben, nicht bald leer stehen wird. Es ist ein Sommerhaus. Wir müssen es winterfest machen. Und uns wärmer anziehen.
So, wie es war, wird es nicht mehr sein. Aber wenn wir wollen, wird etwas Neues kommen und was das Neue sein wird und was es kann – das liegt in unserer Hand.
Es gibt nichts Gutes. Außer – man tut es.
(Erich Kästner)
Und in diesem Sinne möchte ich Tilmann Ziemke und Klaus und Christiane Mangold für diese unglaublich schöne Woche aber auch für alles andere danken:
Ihr habt mich in jeder Hinsicht auf den Weg gebracht. Und was ihr vor sehr langer Zeit und dann über all die Jahre bei mir angestoßen habt, das versuche ich weiterhin auch bei anderen anzustoßen. Ihr seid für mich ein Vorbild.
Der Herbst kann kommen. Ich hol schon mal die warmen Sachen aus dem Keller…