Oder: Vom lustigen Vorwurf, das Veto-Recht würde in der Schule nicht funktionieren…
… es ist in Wahrheit der Schlüssel zur Begabtenförderung!
Achtung: Zur Umbenennung meines Konzepts und der Bedeutung des „Veto-Rechts“ findet ihr aktuelle Infos unter „Konzept“ auf dieser Seite. Und zum Thema Hochbegabtenförderung ein paar sehr interessante Infos unten in einem aktuellen SPIEGEL Interview.
Immer wieder höre ich den Vorwurf: Du hast gut reden mit deiner Forderung nach dem Veto-Recht für Kinder und Jugendliche im Unterricht – du bist ja selbst aus der Schule raus gegangen, weil es ja dort nicht funktionierte!
Das ist eine seltsame Verdrehung der Tatsachen. Ich habe den Schuldienst verlassen, WEIL das Veto-Recht genau dort so offensichtlich erfolgreich war – und ich mich daher den systemischen und hierarchisch gedachten Anforderungen nicht mehr unterwerfen konnte und wollte.
Ich dachte: Wenn mein Ansatz bei Kindern und Jugendlichen so dermaßen spektakuläre Lernfortschritte bewirkt, muss ich aufhören, mich einer nicht-funktionierenden Sache zu unterwerfen und im Gegenteil etwas tun, um mein Konzept einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das war mir als „einfache Lehrerin“ in einem kleinen Lehrerzimmer mit 40 Personen nicht möglich.
Verrückt oder größenwahnsinnig
Ich wusste intuitiv, dass ich mich in eine unabhängigere Position bringen musste, weil die Ideen einer Einzel-Person im Schulalltag schnell als “verrückt” oder “größenwahnsinnig” gelten und vor allem von einer Senatsverwaltung bekämpft wurden, deren größtes Anliegen es ist, Kontrolle auszuüben und den Status Quo zu verteidigen – also ein “Durcheinander” durch Fortschritt und Innovation zu unterdrücken.
Mein Konzept ist die Konkretisierung der Inhalte von Jesper Juul für die Schulpraxis
Mein Konzept, das „Veto-Prinzip“ (vormals Mischpult-Prinzip), ist in der Kurzform die Konkretisierung von Jesper Juul in der Schulpraxis.
Was dieser für die Elternerziehung ausformuliert hat, habe ich für die Schulen konkret anwendbar gemacht. Das Veto Prinzip ist ein in sich schlüssiges Konzept, das konkrete Schritte hin zu einer veränderten – nämlichen gleichwürdigen – Haltung anbietet und dabei auf gelungene Beziehungsgestaltung setzt (Führungstraining Matrioschka Prinzip und Status-Labore mit den vier Führungs-Stilen) und darüber hinaus eine glasklare Didaktik (das Mischpult und die Konzept-Koordinaten) ausformuliert, wie auf der Basis dieser Haltung dann eine Unterrichts-Praxis aussehen kann.
Das Veto-Prinzip ist ein Führungstraining, das den Fokus auf Kommunikation und Beziehungsgestaltung setzt
Der Schlüssel des Gesamt-Konzepts ist der Fokus auf (gleichwürdiger) Kommunikation und Beziehungsgestaltung , da nur über diesen Kanal echte Kooperation und Lernwille entsteht. In der Schweiz, wo die Schulen sehr viel enger mit den Hochschulen zusammenarbeiten als hier in Deutschland (siehe Interview unten), erlebe ich schon seit vielen Jahren ein großes Interesse an meinem Konzept – während sich hier bei uns immer noch erstaunlich viele an dem oben genannten Vorwurf “abarbeiten”, das alles “sei unrealistisch” und in Schulen nicht zu machen. Theoretischen Hintergrund und Veranstaltungsangebote zu diesem Thema findet ihr beispielsweise auch bei Urs Eisenbart, St. Gallen, der sich ebenfalls auf meine Arbeit bezieht: https://www.urseisenbart.ch/vom-gehorsam-zur-verantwortung/
Und zum Veto-Prinzip selbst dann hier: https://www.maikeplath.de/veranstaltungen
Der Beweis, dass es funktioniert, ist längst da
Ich selbst und viele andere, die bereits mit meinem Ansatz arbeiten, sind der Beweis dafür, dass dieses Konzept in Schulen (und in anderen Führungskontexten) sehr wohl umzusetzen ist (zu den dann aufkommenden, ganz selbstverständlichen Irritationen, die notwendiger und wertvoller Teil des Lernprozesses sind, findet ihr Infos ebenfalls unter „Konzept“ auf dieser Seite). Und nicht nur das: Mein Konzept ist ein konkreter Vorschlag, wie wir unsere allseits bekannten und längst ausformulierten Probleme lösen könnten:
Hochbegabte und “verhaltensauffällige“ Kinder fördern, hierarchisches Denken abbauen, Vielfalt als Gewinn für alle sichtbar machen, Schüler*innen in echte Verantwortung bringen und nicht zuletzt den Sinn des Lehrer*innenberufes wieder in den Vordergrund rücken – als Lernbegleiter*in und wichtige Beziehungs-Schlüsselfigur auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben.
Wer also heute innerhalb des Schulsystems oder anderswo mit meinem Konzept arbeitet, ist im Gegensatz zu mir damals nicht mehr allein und kann sich sowohl auf Publikationen, umfangreich vorhandenes Material als auch auf Menschen beziehen, die bereits so arbeiten und Erfahrungswissen angesammelt haben (zum Beispiel zu finden unter www.act-berlin.de). Das ist ein Riesen-Unterschied und verdankt sich eben genau der Tatsache, dass ich den Schuldienst verlassen und mich um die Verbreitung gekümmert habe – mit dem nicht unerheblichen Preis der Aufgabe von Sicherheit – und dem Vorwurf “verrückt” zu sein.
Ver-rückt sein
Aber liebe Leute: Ich bin nicht verrückt. Ich habe nur meine Perspektive VER – RÜCKT und sehe etwas, das besser funktioniert. Und das habe ich über zehn Jahre lang tagtäglich in der Schulpraxis und seitdem als Freischaffende immer wieder erleben können. Also traut euch mal und hört auf zu meckern. Und lest unbedingt mal dieses hier: Ein Interview zum Thema Begabungsförderung, siehe unten. Für diejenigen, die den Link unten mit der Quelle nicht öffnen können, habe ich die wichtigsten Zitate raus kopiert. Und zum Interview hier abschließend meine These:
Wir sind gegenwärtig mit der Welt an einem Punkt angekommen, an dem wir auf die Ideen und die “ver-rückten” Potentiale der Hochbegabten nicht mehr verzichten können. Wir brauchen ein anderes Verständnis von Führung.
Die Figur Taher in den „Türwächter*innen der Freiheit“ ist ein Beispiel für Hochbegabung:
In den “Türwächter*innen der Freiheit” erzähle ich von einem dieser hochbegabten Schüler: Von Taher. Und warum er in unserem Schulsystem unterging. Wieviele andere lassen wir in dieser Sekunde gerade untergehen, weil wir zu bequem sind, unser Anpassungs-Mantra an Schulen und anderswo zu hinterfragen?
Und hier Interessantes zum Thema Hochbegabung:
Zitate aus dem Quelltext unten (siehe link):
„Dass Inklusion bei uns einzig so verstanden wird, dass man sich um lernschwächere Schüler besonders kümmern muss. Das sollten wir selbstverständlich tun, aber wenn wir den Grundgedanken der Inklusion ernst nehmen, müssen sich Lehrerinnen und Lehrer auch in besonderem Maße den Kindern mit Hochbegabungen widmen. Das passiert aber viel zu wenig“.
„Hochbegabung wird oft als Luxusthema abgetan. Nach dem Motto: Wenn das Kind so schlau ist, dann wird es ja wohl auch mit dem Schulsystem klarkommen.
SPIEGEL: Das ist aus Ihrer Erfahrung aber oft nicht der Fall?
Renger: Überhaupt nicht. Zu mir kommen immer wieder Hochbegabte, die unter Schulangst leiden, die das Gefühl haben, nicht dazuzugehören, sich missverstanden fühlen, keine Motivation mehr aufbauen können. Viele dieser Schülerinnen und Schüler ziehen sich in ein Schneckenhaus zurück, oder sie richten ihre Frustration nach außen und stören den Unterricht – ihr Potenzial können sie jedenfalls nicht mehr abrufen“.
„Hochbegabung wird oft noch immer mit Hochleistung gleichgesetzt. Folglich ist auch die Begabungsförderung leistungsorientiert, voller Wettbewerbe und Vorzeigeprojekte, geprägt vom Prinzip der Konkurrenz.
SPIEGEL: Aber Leistung zu forcieren ist doch nicht prinzipiell schlecht, Konkurrenz kann auch anregend wirken.
Renger: Wenn das Kind eine stabile Persönlichkeit hat, keine heißen Themen wie Angst, Stress, Unsicherheit anliegen, stimmt das. Und natürlich gibt es diese Schüler, die psychologisch stabil sind und die sich dann auch nach Leistungsbeweisen sehnen. Das sind übrigens oft Kinder, die einen IQ im 120er-Bereich haben, also nach Definition überdurchschnittlich begabt, aber nicht hochbegabt sind. Wir nennen diese Kinder manchmal etwas flapsig »die grauen 120er«, weil sie häufig ohne größere Auffälligkeiten eine erfolgreiche Schulkarriere hinlegen. Für diese leistungsstarken Kinder scheint unser Schulsystem gut zu passen.
SPIEGEL: Aber?
Renger: Auf die wirklich Hochbegabten ab einem IQ von 130 trifft das eben oft nicht zu. Die bleiben häufig weit unter ihren Möglichkeiten, weil sie merken, die Schule passt für mich irgendwie nicht. Die machen dann dicht. Diese Kinder muss man erst mal abholen, das Problem hinter ihrem Verhalten verstehen, bevor sie ihr Leistungsvermögen entfalten können. Aber leider heißt es in solchen Fällen von vielen Lehrkräften immer noch: »Der oder die soll hochbegabt sein? Davon sehe ich im Unterricht aber gar nichts.«
Ich glaube aber, dass das Scheitern vieler Hochbegabter Ausdruck eines größeren, grundsätzlichen Problems an unseren Schulen ist“.
„Unsere Lehrkräfte verstehen sich zu sehr als Lieferanten von Wissen und zu wenig als Begleiter der Schülerinnen und Schüler. Da bräuchte es, glaube ich, eine andere Haltung, weniger hierarchisch, weniger nach festem Maßnahmenkatalog, dafür offener und zugewandter. Eine gute Begabungsförderung macht eigentlich aus, dass die Lehrkraft nicht von vornherein zu wissen glaubt, was dem Schüler guttut, sondern dass sie es gemeinsam mit dem Kind herausfindet“.
„Man sollte bei der Ausbildung der Lehrkräfte mehr Augenmerk auf psychologische Kompetenzen legen. Wie muss ich jemanden ansprechen, der Motivationsprobleme hat, wie jemanden, der Symptome einer Verängstigung zeigt? Seien wir ehrlich: Deutsche Lehrkräfte sind fachlich brillant ausgebildet – auf der psychologischen Ebene kann man das leider nicht behaupten“.
„Es muss den zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern schon während des Studiums viel deutlicher vermittelt werden: Ich vertrete hier nicht nur ein Fach, sondern ich werde in meinem zukünftigen Beruf als Mensch gebraucht, als Mentor und Begleiter. Inklusion, bei lernstarken wie lernschwachen Kindern, kann nur funktionieren, wenn die Lehrkraft weiß, wie wichtig sie für jeden einzelnen Jungen und jedes einzelne Mädchen sein wird, wie wichtig eine echte Beziehung zwischen Lehrkraft und Schüler ist. Dafür wäre es auch hilfreich, wenn es in den Schulen mehr Raum für ungezwungene Begegnungen gäbe. Gute Begabungsförderung, das ist meine Erfahrung, passiert oftmals bei Gesprächen zwischen Klassenzimmer und Lehrerzimmer“.
„Viele hochbegabte Kinder sagen zu mir: Es gibt an unserer Schule pro Halbjahr ein 30-minütiges Einzelgespräch mit der Lehrkraft, und in diesen 30 Minuten fühle ich mich endlich mal als Person wahrgenommen und nicht nur als jemand, den es zu benoten gilt. Wenn man dieses Gefühl verstetigt und das Kind sich wohlfühlt, wird es auch sein Potenzial besser ausschöpfen. Und dann bin ich übrigens auch sehr dafür, dass wir mutiger als bisher das hohe Leistungsvermögen aufgreifen und fördern“.